Liebe Leserinnen und liebe Leser, liebe Hörerinnen und liebe Hörer,
heute erinnern wir uns an einen Tag, der Geschichte schrieb – und Wunden hinterließ: der 13. August 1961. In einer Nacht wurde eine Stadt geteilt, Familien auseinandergerissen, Wege blockiert. Beton, Stacheldraht und bewaffnete Soldaten machten aus einem Fluss von Begegnungen eine Mauer aus Misstrauen. Es ist ein Datum, das nicht nur in den Geschichtsbüchern steht, sondern sich in viele Herzen eingebrannt hat.
Doch Mauern gibt es nicht nur aus Beton. Sie stehen auch in unserem Inneren – aus Angst, aus Enttäuschung, aus verletztem Stolz. Manche von uns tragen diese Mauern jahrelang mit sich herum, vielleicht so unbemerkt, dass wir sie erst merken, wenn wir jemanden nicht mehr an uns heranlassen.
Jesus kennt solche Mauern – und er spricht eine radikale Einladung aus:
„Selig sind, die Frieden stiften; denn sie werden Gottes Kinder heißen.“
Matthäus 5,9
Frieden stiften bedeutet nicht, den Konflikt einfach zuzudecken. Es bedeutet, mutig den ersten Stein aus der Mauer zu nehmen. Das kann ein Gespräch sein, ein zugegebenes Unrecht, oder auch ein schlichtes „Es tut mir leid“. Der erste Schritt ist oft der schwerste – aber er verändert alles.
Der Apostel Paulus schreibt:
„Denn er ist unser Friede, der aus beiden eins gemacht hat und hat abgebrochen die Zwischenwand der Scheidung.“
Epheser 2,14
Paulus redet hier über die Trennung zwischen Juden und Heiden in der damaligen Zeit. Doch die Worte klingen wie gemacht für Mauern jeder Art. Christus reißt ab, was uns trennt – damals wie heute. Er ruft uns nicht dazu, neue Zäune zu bauen, sondern offene Türen zu schaffen.

Ich habe einmal von einer Frau gelesen, die zu Mauerzeiten in Ost-Berlin lebte. Ihr Bruder war im Westen. Sie konnten sich jahrelang nicht sehen. Statt Briefe zu schreiben, die oft geöffnet und zensiert wurden, schickten sie sich kleine Päckchen mit Lebensmitteln und Fotos. Jedes Päckchen war wie ein kleines Loch in der Mauer – nicht aus Beton, sondern in ihren Herzen. Als die Mauer 1989 fiel, standen sie sich gegenüber und konnten minutenlang nichts sagen, nur weinen. Die Mauer war gefallen, aber schon vorher hatten sie sich Wege gesucht, sich nah zu bleiben.
Diese Geschichte zeigt: Versöhnung fängt oft an, lange bevor die sichtbaren Mauern verschwinden. Sie beginnt in unseren Herzen, wenn wir beschließen, den anderen nicht aufzugeben.

Vielleicht gibt es in deinem Leben gerade eine Mauer. Jemand, den du meidest. Worte, die nie gesagt wurden. Oder eine Enttäuschung, die sich wie Stacheldraht anfühlt. Heute – am Jahrestag des Mauerbaus – könnten wir uns fragen: Welchen Stein könnte ich herausnehmen? Welches Päckchen der Liebe könnte ich senden?

Jesus hat Mauern nicht einfach toleriert. Er ging durch sie hindurch. Er sprach mit Ausgestoßenen, aß mit denen, die andere verachteten, und hielt selbst am Kreuz noch an der Liebe fest. Er lädt uns ein, das Gleiche zu tun – nicht, weil es leicht ist, sondern weil es Leben schenkt.
Herr, du kennst meine Mauern.
Du weißt, wo ich hart geworden bin.
Hilf mir, den ersten Schritt zu tun, auch wenn er klein ist.
Schenke mir Mut, Frieden zu stiften, und öffne mein Herz für deine Liebe.
Amen!