681 – Pilgernde Herzen: Der Jakobsweg und die Reise zu sich selbst

681 – Pilgernde Herzen: Der Jakobsweg und die Reise zu sich selbst

Liebe Leserinnen und Hörer, liebe Suchende und Fragende,

heute ist der 25. Juli. Jakobstag. In Spanien ist das sogar ein gesetzlicher Feiertag. Tausende Menschen pilgern an diesem Tag nach Santiago de Compostela, wo – so glauben es viele – die Gebeine des Apostels Jakobus des Älteren ruhen. Ein uralter christlicher Brauch, und doch: Auf dem Jakobsweg begegnet man Menschen aus aller Welt – Gläubigen, Zweifelnden, Neugierigen. Christlich geprägt, aber offen für alle, die sich aufmachen. Und genau darum geht es heute: Was bedeutet das Pilgern eigentlich – und warum ist es mehr als nur Wandern mit Rucksack?

Pilger auf dem Jakobsweg, Sora, prompted by ChatGPT
Pilger auf dem Jakobsweg, Sora, prompted by ChatGPT

Der Jakobsweg ist nicht nur eine Route durch Spanien. Er ist ein Sinnbild für die Reise, die wir Leben nennen. Eine Strecke mit Blasen und Glücksmomenten, mit Umwegen, Sehnsucht, und manchmal auch einem Riss in der Seele, der uns weiterführt. Pilgern heißt: loslassen. Unterwegs sein. Offen sein für das, was kommt – auch wenn man nicht weiß, wie es ausgeht.

Genau das war auch die Haltung der Jünger Jesu, allen voran Jakobus. Als Jesus sagte: „Folge mir nach“, stand Jakobus auf – und ging los. Ohne Lebensversicherung. Ohne GPS. Ohne fertigen Plan. Einfach nur mit einem Ruf im Herzen.

„Und alsbald verließen sie das Boot und ihren Vater und folgten ihm.“
Matthäus 4,22

Manchmal braucht es genau diesen ersten Schritt. Den Mut, etwas hinter sich zu lassen – vielleicht auch den Mut, etwas zu verlieren, um etwas Größeres zu gewinnen. Auf dem Weg nach Santiago ist es oft der eigene Stolz, das Sicherheitsbedürfnis, die ständige Erreichbarkeit. Irgendwann hört man auf, perfekt sein zu wollen – und beginnt, ehrlich zu werden. Nicht nur vor Gott, sondern auch vor sich selbst.

In einem der berühmtesten Psalmen klingt genau diese Pilger-Erfahrung an:

„Wenn ich auch wanderte im finsteren Tal, fürchte ich kein Unglück; denn du bist bei mir, dein Stecken und Stab trösten mich.“
Psalm 23,4

Viele Pilger erzählen davon, wie sie genau das erleben: Es wird dunkler – aber sie sind nicht allein. Plötzlich bekommt das Gespräch mit einem Fremden mehr Tiefe als so mancher Small Talk zu Hause. Und in der Stille der Natur beginnt das Herz, Fragen zu stellen, die man längst verdrängt hatte.

Stille am Pilgerkreuz, Sora, prompted by ChatGPT
Stille am Pilgerkreuz, Sora, prompted by ChatGPT

Ich erinnere mich an eine Geschichte, die ich im Magazin „Chrismon“ gelesen habe. Eine Managerin aus Frankfurt ging den Camino Francés. Am Anfang reiste sie mit perfekt gepacktem Koffer und Eitelkeit. Nach vier Tagen gab sie ihr Smartphone auf, warf die teuren Schuhe weg und lief barfuß ein Stück. Am 20. Tag begann sie zu weinen – nicht vor Schmerz, sondern vor Ehrlichkeit. Sie sagte später: „Ich habe auf diesem Weg Gott nicht gefunden – aber ich habe aufgehört, ihn zu vermeiden.“ (Quelle: chrismon.evangelisch.de)

Das ist das Wunder des Weges: Du kannst dich nicht verstecken. Nicht hinter Rollen, nicht hinter Arbeit, nicht hinter Ausreden. Du kommst dir selbst näher – und damit auch dem, der dich geschaffen hat.

„Macht euch auf, geht hinauf auf das Gebirge und bringt Holz herbei und baut das Haus; dann will ich Wohlgefallen daran haben und mich verherrlichen, spricht der HERR.“
Haggai 1,8

Pilgern nach Santiago, Sora, prompted by ChatGPT
Pilgern nach Santiago, Sora, prompted by ChatGPT

Was, wenn Gott genau das meint? Geh los. Bau dein Leben nicht mehr nur mit Excel-Tabellen und Kalender-Apps. Bring das Holz – das, was du wirklich hast. Dein Lachen, deine Verletzlichkeit, deine Treue. Dann, sagt Gott, habe ich Freude daran. Dann ist dein Leben ein lebendiger Tempel. Kein Museum. Kein Pflichtprogramm. Sondern Heimat.

Deshalb ist der Jakobsweg auch kein christliches Touristenziel, sondern eine Einladung. Eine, die man jeden Tag annehmen kann. Auch ohne Pilgerpass. Auch ohne Flugticket. Vielleicht beginnt dein Weg heute. Mit einem Gebet. Oder mit der Entscheidung, etwas hinter dir zu lassen, das dich hindert, wirklich zu leben.

Manche sagen: „Ich muss erst alles geregelt haben, bevor ich losgehe.“ Aber wer so denkt, geht nie. Pilgern heißt: unterwegs glauben lernen. Nicht alles verstehen – aber dennoch vertrauen. Und: sich überraschen lassen.

„Denn wir haben hier keine bleibende Stadt, sondern die zukünftige suchen wir.“
Hebräer 13,14

Vielleicht liegt darin das Geheimnis des Pilgerns: Du weißt nicht, wo du ankommst. Aber du weißt, dass du nicht mehr derselbe Mensch sein wirst wie am Anfang. Und dass der, der dich gerufen hat, dich auch führen wird. Schritt für Schritt. Tag für Tag.


Gott, du bist der Weg, den wir gehen.

Du bist die Stimme, die ruft, und die Kraft, die trägt.

Schenke uns Mut zum Aufbruch – und Vertrauen auf jedem Schritt.

Lass uns nicht auf Sicherheit bauen, sondern auf deine Nähe.

Und führe uns zu uns selbst – und zu dir.

Amen!


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