Herzlich willkommen, liebe Hörerinnen und Hörer, liebe Leserinnen und Leser!
Heute schauen wir gemeinsam in einen Abschnitt, der wie gemacht ist für unsere Zeit. Für diese Welt, in der es so viel Spaltung gibt – zwischen Meinungen, zwischen Lebensentwürfen, zwischen Menschen. Für diese Gesellschaft, in der der Ton rauer wird, in der viele sagen: „Ich gehöre nicht dazu.“ Oder: „Die anderen sollen sich gefälligst ändern.“ Und hinein in all das ruft Paulus mit kräftiger Stimme – aus dem 1. Korintherbrief Kapitel 12:
„Denn wie der Leib einer ist und doch viele Glieder hat, alle Glieder des Leibes aber, obwohl sie viele sind, ein Leib sind: so auch Christus.“
1. Korinther 12,12
Das Bild ist stark. Ein Körper – viele Glieder. Hände, Füße, Augen, Ohren. Und trotzdem: ein einziger Körper. So ist es auch mit den Menschen, die zu Christus gehören. So soll es in der Gemeinschaft sein. So darf es in einer Gesellschaft aussehen, in der Unterschiedlichkeit kein Mangel ist – sondern Reichtum.
Paulus betont: Jeder hat seinen Platz. Niemand ist überflüssig. Niemand kann sagen: Ich brauche dich nicht. Und niemand soll sich klein fühlen, weil er oder sie „nur“ dieses oder jenes tun kann. Jeder Mensch ist gewollt. Jeder bringt etwas ein, das kein anderer bringen kann. Auch das steht ganz klar im Text:
„Das Auge kann nicht zur Hand sagen: Ich brauche dich nicht; oder wiederum das Haupt zu den Füßen: Ich brauche euch nicht.“
1. Korinther 12,21

Wenn man das mal auf unsere Welt heute überträgt, dann wird’s spannend. Was wäre, wenn wir uns wirklich so sähen: Als Teil eines großen Ganzen? Was wäre, wenn in einer Firma nicht der Vorstand allein zählt, sondern auch der Hausmeister, die Azubine, der Buchhalter, die Reinigungskraft? Wenn in einer Gemeinde nicht nur die predigende Stimme gehört würde, sondern auch das stille Gebet der alten Frau in der letzten Bank?
Es gibt eine Szene, die ich dazu nie vergessen werde: Eine Mitarbeiterin in einer Klinik hat einmal gesagt, dass sie nie verstanden hat, warum sie als Reinigungskraft immer „ganz hinten“ mit in die Besprechungen musste. Bis ein Oberarzt sagte: „Ohne Sie können wir hier nicht heilen. Wenn es bei Ihnen klemmt, klemmt’s bei allen.“ – Das war ein heiliger Moment. Einer, in dem plötzlich klar war: Jedes Glied zählt.

Aber Paulus bleibt nicht bei einem Appell zur Wertschätzung. Er geht weiter. Er sagt, dass diese Vielfalt nicht aus Zufall besteht. Sie ist gewollt. Ja, sie ist sogar geschenkt. Denn Gott selbst gibt die Gaben – und er tut es so, wie es gut ist:
„Dies alles aber wirkt derselbe eine Geist, der einem jeden das Seine zuteilt, wie er will.“
1. Korinther 12,11
Es ist nicht unsere Leistung, wenn wir etwas besonders gut können. Und es ist auch kein Mangel, wenn wir etwas nicht können, was andere tun. Wir sind beschenkt. Unterschiedlich. Aber zusammengefügt. Nicht im Wettbewerb, sondern im Zusammenspiel.
Das ist nicht einfach. Es ist leicht, neidisch zu sein. Oder hochmütig. Oder gekränkt. Doch was Paulus hier schreibt, ist kein Wunschtraum. Es ist eine Vision, die real werden kann – wenn wir sie zulassen. Wenn wir ehrlich hinschauen: Was kann ich beitragen? Was darf der andere beitragen, ohne dass ich es kontrollieren muss?
Vielleicht kennt ihr solche Momente, in denen ihr plötzlich spürt: Jetzt passt alles zusammen. In einem Gespräch. In einer Aktion. In einem Team. Dann ist es wie ein Körper, der sich gut bewegt. Nicht stockend, nicht stolpernd, sondern fließend. Solche Momente sind kostbar. Und sie sind möglich. Auch heute. Auch mitten in einer Welt, die manchmal so zerrissen wirkt.
Und genau deshalb endet Paulus mit einem Satz, der wie ein Wink für uns alle ist:
„Ihr aber seid der Leib Christi und jeder Einzelne ein Glied.“
1. Korinther 12,27
Du gehörst dazu. Du bist nicht egal. Und der andere auch nicht. Ob du der Mund bist oder der kleine Zeh – du bist wichtig. Und gemeinsam seid ihr lebendig. Und geliebt. Und gerufen.

Das gilt für Gemeinden. Für Familien. Für Schulen. Für Freundeskreise. Für diese Gesellschaft.
Wir müssen uns nicht einander ähnlich machen. Wir müssen uns nur ernst nehmen. Dann wird aus Vielfalt ein lebendiger Leib. Dann wird aus Gegensätzen ein Miteinander. Und vielleicht spüren wir dann: Gott war die ganze Zeit mittendrin.
Gott, wir danken dir für deine Weisheit, mit der du jeden Menschen begabt und bedacht hast.
Hilf uns, einander so zu sehen, wie du uns siehst – nicht als Konkurrenz, sondern als Ergänzung.
Schenk uns Mut zur Wertschätzung, Geduld im Zusammenleben und Freude an der Vielfalt.
Stärke uns, ein Leib zu sein – lebendig, gemeinsam, durch dich verbunden.
Amen!
