
Liebe Leserinnen und Hörer, liebe Freunde überall,
der heutige Tag, der 27. Dezember, ist dem Apostel und Evangelisten Johannes gewidmet. Und nein, das ist kein Zufall kurz nach Weihnachten. Johannes war nicht irgendein Jünger. Er war „der Jünger, den Jesus liebte“ – so beschreibt er sich selbst im eigenen Evangelium. Einer, der geblieben ist, als andere flohen. Einer, der die Nähe zu Jesus suchte, nicht nur in seinen Worten, sondern auch in seinem ganzen Leben.
Wer Johannes verstehen will, kommt an einem Thema nicht vorbei: Liebe. Aber nicht irgendeine Liebe – sondern die Art, wie Jesus liebt. Ohne Bedingung. Ohne Vorbehalt. Ohne Fassade. Johannes war der Einzige der Jünger, der unter dem Kreuz stand. Alle anderen hatten sich versteckt. Er blieb. Er sah, wie Liebe bis zum Letzten geht.
„Als nun Jesus seine Mutter sah und bei ihr den Jünger, den er lieb hatte, spricht er zu seiner Mutter: Frau, siehe, das ist dein Sohn! Danach spricht er zu dem Jünger: Siehe, das ist deine Mutter! Und von der Stunde an nahm sie der Jünger zu sich.“
Johannes 19,26-27

Diese Szene rührt. Sie ist voller Trauer, aber auch voller Vertrauen. Jesus überträgt Verantwortung – nicht an einen der „lauteren“ Jünger, sondern an den, der einfach da ist. Das macht Eindruck. Und es zieht sich wie ein roter Faden durch alles, was Johannes später schreibt.
Im ersten Johannesbrief nimmt er den Ton aus dem Evangelium auf, aber jetzt an uns gerichtet. Es ist wie ein Ruf an uns alle – mitten hinein in unser lautes, vollgestopftes, manchmal müdes Leben.
„Ihr Lieben, lasst uns einander lieben; denn die Liebe ist von Gott, und wer liebt, der ist von Gott geboren und kennt Gott. Wer nicht liebt, der kennt Gott nicht; denn Gott ist Liebe.“
1. Johannes 4,7-8
Klarer geht es kaum. Johannes schreibt nicht „seid nett zueinander“. Er schreibt auch nicht „fühlt euch ein bisschen liebevoll“. Sondern: Wer liebt, kennt Gott. Wer nicht liebt, kennt ihn nicht. Punkt. Und damit trifft er genau in unser Herz – oder sagen wir ruhig: in unseren Alltag. Denn wie oft sprechen wir von Glauben, aber ohne Liebe? Wie oft sagen wir, wir kennen Gott – aber dann leben wir, als ob uns der andere egal ist?
Johannes bleibt dabei nicht in schönen Worten hängen. Seine Liebe ist konkret. Sie zeigt sich im Tun. Und sie wurzelt in einer Erfahrung, die er selbst gemacht hat. Er war dabei, als Jesus die Füße wusch. Als Jesus sagte:
„Ein neues Gebot gebe ich euch, dass ihr euch untereinander liebt, wie ich euch geliebt habe, damit auch ihr einander liebhabt.“
Johannes 13,34

Was für ein Maßstab! Nicht: „so gut ihr könnt“, sondern „wie ich euch geliebt habe“. Das heißt: bereit sein, sich kleinzumachen. Bereit sein, anderen zu dienen, selbst wenn sie es nicht verdient haben. Bereit sein, dazubleiben, wenn es schwer wird.
Und Johannes hat das durchgezogen. In der Überlieferung heißt es, er habe als alter Mann nur noch eine Predigt gehalten – und die lautete: „Kinder, liebt einander.“ Mehr sagte er nicht. Und als man ihn fragte, warum er sich nicht mehr Mühe gibt, antwortete er: „Weil es genug ist.“
Diese Geschichte ist nicht belegt, aber sie fasst gut zusammen, worum es Johannes ging. Nicht um große Worte, sondern um die eine, bleibende Wahrheit: Gott ist Liebe. Und wenn wir ihn kennen, dann werden wir lieben. Nicht perfekt. Aber ehrlich. Und treu.

Wir leben heute in einer Welt, die oft sehr schnell urteilt und sehr langsam liebt. Vielleicht brauchen wir wieder mehr von diesem „Bleiben“, das Johannes verkörperte. Bleiben bei Jesus. Bleiben bei den Menschen. Nicht weglaufen, wenn es schwierig wird. Nicht aufgeben, wenn Beziehungen Mühe machen. Sondern lieben, wie wir geliebt wurden.
Guter Gott,
du hast Johannes zu einem Zeugen deiner Liebe gemacht.
Hilf uns, nicht nur an dich zu glauben, sondern dir nachzufolgen.
Lehre uns zu lieben, auch wenn es weh tut.
Mach unser Herz weich für die Menschen um uns.
Schenk uns Mut, treu zu bleiben – wie Johannes.
Und wenn wir dich nicht verstehen, hilf uns trotzdem zu vertrauen.
Amen!
