Liebe Leserinnen und Leser, liebe Hörerinnen und Hörer,
nach der Wiedervereinigung Deutschlands war das Land wieder eins, doch in den Herzen und Köpfen der Menschen blieben oft noch die Narben der Teilung. Eine Mauer war gefallen, aber andere Mauern, unsichtbare, blieben bestehen – Mauern des Misstrauens, der Vorurteile und der Verletzungen. Heute wollen wir darüber nachdenken, wie Versöhnung und Heilung nach so vielen Jahren der Trennung möglich wurden und wie sie auch in unserem eigenen Leben geschehen können.
Wenn wir an die Zeit nach dem Fall der Berliner Mauer zurückdenken, erinnern wir uns nicht nur an die Freude und das Gefühl der Freiheit, sondern auch an die Herausforderungen, die auf die Menschen in Ost- und Westdeutschland zukamen. Der Unterschied in den Lebensrealitäten, die unterschiedlichen politischen Prägungen und das Misstrauen, das sich über Jahrzehnte aufgebaut hatte, waren Barrieren, die nicht sofort verschwanden.
Die Bibel gibt uns wertvolle Einsichten, wie Heilung und Versöhnung geschehen können, selbst nach langjähriger Trennung und Feindschaft. Eine der eindrucksvollsten Geschichten ist die von Josef und seinen Brüdern. Josef, der von seinen Brüdern aus Neid verkauft und nach Ägypten gebracht wurde, begegnete ihnen Jahre später erneut, als sie ihn um Hilfe baten, ohne zu wissen, wer er war. Josefs Reaktion war erstaunlich:
„Da sprach Josef zu seinen Brüdern: Tretet doch her zu mir! Und sie traten herzu. Und er sprach: Ich bin Josef, euer Bruder, den ihr nach Ägypten verkauft habt. Und nun bekümmert euch nicht und denkt nicht, dass ich euch darum Vorwürfe mache, dass ihr mich hierher verkauft habt; denn um eures Lebens willen hat mich Gott vor euch hergesandt.“
1. Mose 45,4-5
Josef hätte allen Grund gehabt, seine Brüder zu verurteilen, aber er wählte den Weg der Vergebung und erkannte darin sogar den Plan Gottes. Versöhnung beginnt oft dort, wo wir den Mut haben, aufeinander zuzugehen, selbst wenn wir verletzt wurden. Die Entscheidung zur Versöhnung bedeutet nicht, die Vergangenheit zu vergessen, sondern die Lasten der Vergangenheit Gott zu übergeben und einen neuen Weg zu beschreiten.
Auch nach der Wiedervereinigung Deutschlands brauchte es Zeit und Geduld, um die Wunden der Teilung zu heilen. Menschen mussten lernen, einander zu vertrauen und die Unterschiede zu akzeptieren. Doch es gab viele Geschichten der Versöhnung, kleine und große Schritte, die Deutschland heute zu einem geeinten Land machen. Es war ein Prozess, der bis heute andauert.
In Christus finden wir die vollkommene Einheit und Versöhnung, die jede Mauer überwinden kann:
„Denn ihr seid alle durch den Glauben Gottes Kinder in Christus Jesus. Denn ihr alle, die ihr auf Christus getauft seid, habt Christus angezogen. Hier ist nicht Jude noch Grieche, hier ist nicht Knecht noch Freier, hier ist nicht Mann noch Frau; denn ihr seid alle einer in Christus Jesus.“
Galater 3,26-28
Diese Worte des Apostels Paulus erinnern uns daran, dass in Christus alle Mauern fallen. In ihm gibt es keine Trennung mehr, keine Vorurteile und keine Ungerechtigkeit. Er ist unser Friede und unsere Versöhnung. Wenn wir uns an Christus halten, werden wir befähigt, auch die tiefsten Wunden zu heilen und wahrhaftig eins zu werden.
Lasst uns heute darüber nachdenken, welche Mauern in unserem eigenen Leben noch bestehen. Sind da noch alte Verletzungen, die uns von anderen trennen? Gibt es Missverständnisse, die wir nicht aus dem Weg geräumt haben? Vielleicht ist es an der Zeit, wie Josef aufeinander zuzugehen, zu vergeben und einen neuen Anfang zu machen. Denn in Christus sind wir alle eins, und in ihm finden wir die Kraft zur Versöhnung und zur Heilung.
Herr, schenke uns die Gnade, die Mauern in unseren Herzen zu erkennen und niederzureißen. Lass uns in deiner Liebe wachsen und aufeinander zugehen, damit Heilung und Versöhnung geschehen können. Hilf uns, die Einheit in Christus zu leben und sie in die Welt hinauszutragen.
Amen!