Liebe Hörerinnen und Hörer, liebe Leserinnen und Leser,
am 20. Juli 1944 versuchten Claus Schenk Graf von Stauffenberg und seine Mitstreiter, Adolf Hitler zu töten und das verbrecherische Nazi-Regime zu stürzen. Es war ein Akt des Gewissens – getragen von tiefer innerer Überzeugung und unter Einsatz des eigenen Lebens. Heute, 81 Jahre später, stehen wir staunend und ehrfürchtig vor diesem Mut. Doch wir sollten uns auch fragen: Was hat das mit uns zu tun?
Was bedeutet Widerstand heute – für uns, in unserem Alltag? Nicht mit dem Gewehr in der Hand, aber vielleicht mit einer Stimme, mit einem Nein, mit einem Aufstehen gegen Unrecht, Lüge und Menschenverachtung.
Wenn wir in die Bibel schauen, finden wir Menschen, die ebenfalls Widerstand geleistet haben – nicht aus Rebellion, sondern aus Treue zu Gott. Einer von ihnen war Daniel.
„Als nun Daniel erfuhr, dass das Gesetz unterschrieben war, ging er in sein Haus. Er hatte in seinem Obergemach offene Fenster nach Jerusalem hin, und er kniete dreimal am Tag nieder, betete und lobte seinen Gott, wie er es auch vorher getan hatte.“

Daniel wusste, dass sein Gebet ihn das Leben kosten könnte. Doch er blieb seinem Gott treu. Das war sein stiller, fester Widerstand – mutig und tief verwurzelt im Glauben.
Oder nehmen wir die Hebammen Schifra und Pua aus dem Alten Testament. Der Pharao hatte ihnen befohlen, alle neugeborenen hebräischen Jungen zu töten. Sie widersetzten sich.
„Aber die Hebammen fürchteten Gott und taten nicht, wie der König von Ägypten ihnen gesagt hatte, sondern ließen die Knaben leben.“
Sie fürchteten Gott mehr als den mächtigsten Mann ihres Landes. Ihr Widerstand war lebensrettend. Und gottgefällig.
Auch Jesus selbst ging seinen Weg gegen den Strom. Er stellte sich gegen die religiöse Heuchelei seiner Zeit, gegen das Streben nach Macht und Kontrolle, gegen das Wegsehen gegenüber Leid und Ausgrenzung. Und er sagte:
„Selig sind, die um der Gerechtigkeit willen verfolgt werden; denn ihrer ist das Himmelreich.“
Widerstand beginnt im Herzen. Dort, wo wir nicht mehr mitlaufen wollen, wo wir merken: Das kann ich nicht verantworten. Es beginnt mit dem Gewissen – dem inneren Kompass, den Gott jedem Menschen gegeben hat. Claus Schenk Graf von Stauffenberg war Katholik. In einem Brief an seine Frau schrieb er: „Es ist Zeit, dass jetzt etwas getan wird. Wer in der Gegenwart nicht handelt, macht sich schuldig an der Zukunft.“
Es ist leicht, 81 Jahre später auf die Männer und Frauen des 20. Juli zu schauen und sie zu ehren. Es ist schwerer, heute selbst Haltung zu zeigen. Vielleicht nicht mit dem Leben – aber doch mit dem Risiko, anzuecken, belächelt oder sogar ausgegrenzt zu werden.
Aber genau da braucht es uns. In einer Gesellschaft, die oft bequem wegschaut. Wo Fake News lauter schreien als Wahrheit. Wo sich Menschen abwertend über andere äußern – über Flüchtlinge, Menschen mit Behinderung, alte Menschen, queere Menschen – und viele einfach schweigen.
Manchmal reicht schon ein Satz wie: „Ich sehe das anders.“ Oder: „Das finde ich nicht in Ordnung.“ Vielleicht kostet es ein bisschen Mut. Aber es ist gelebter Glaube.
Denn Christsein heißt nicht nur: nett sein. Christsein heißt, der Wahrheit treu bleiben. Liebe leben – auch wenn’s unbequem wird.
Die Bibel ruft uns auf, nicht Zuschauer zu sein, sondern Menschen, die handeln. Paulus schreibt:
„Lasst euch nicht vom Bösen überwinden, sondern überwindet das Böse mit Gutem.“ Römer 12,21
Das heißt: Wir müssen nicht laut und radikal sein. Aber klar. Und mutig. So wie Daniel. So wie die Hebammen. So wie Stauffenberg.
Übrigens: Der Theologe Dietrich Bonhoeffer, ebenfalls Widerstandskämpfer, hat einmal gesagt: „Nicht der Gedanke, sondern die Tat macht den Unterschied.“ Das gilt auch heute. Unser Glaube darf nicht beim Denken stehen bleiben.

Und wenn du denkst: Ich bin kein Held, keine Heldin – dann sei getrost. Gott braucht keine Helden. Gott braucht Menschen, die sich gebrauchen lassen. Mit Herz, mit Rückgrat, mit Vertrauen.
Gott, schenke uns den Mut zum Widerstand, wenn andere schweigen.
Gib uns klare Augen, ein hörendes Herz und eine feste Hand, wenn es darauf ankommt.
Stärke unser Gewissen.
Und hilf uns, nicht nur zu reden, sondern zu leben, was wir glauben.
Amen!
