Liebe Hörerinnen und Hörer, liebe Leserinnen und Leser,
manche Bilder bleiben. Sie graben sich ein wie tiefe Narben in den Asphalt der Geschichte. Am 21. August 1968, früh am Morgen, rollten sowjetische Panzer durch die Straßen Prags. Was sie überrollten, war nicht nur ein Land. Es war Hoffnung. Der „Prager Frühling“ – ein Aufbruch für Meinungsfreiheit, Pressefreiheit, Demokratie im Kommunismus – wurde in einer Nacht von den Ketten stählerner Macht erstickt.
Der Einmarsch war eine Machtdemonstration des sowjetischen Imperiums, das seinen Einflussbereich sichern wollte – koste es, was es wolle. Auch die Wahrheit. Auch die Freiheit.
Heute, fast sechs Jahrzehnte später, rollen erneut Panzer. Wieder von Osten. Wieder sind es russische – die Panzer eines Landes, das sich selbst als Rechtsnachfolger der Sowjetunion versteht. Und wieder lautet das Narrativ: Man wolle „befreien“, schützen, Ordnung wiederherstellen. In Wahrheit ist es dasselbe wie 1968: eine brutale Zerschlagung von Selbstbestimmung und Menschenwürde.
Was sagt Gott zu all dem?
„Tu deinen Mund auf für die Stummen und für die Sache aller, die verlassen sind.“
Sprüche 31,8
Es sind oft die, die selbst keine Stimme haben, die uns den Weg zeigen. Die jungen Menschen in Prag 1968, die mit Transparenten auf die Straßen gingen, obwohl sie wussten, dass es gefährlich ist. Die Menschen in der Ukraine heute, die in Kellern leben und ihre Hoffnung nicht verlieren – trotz Bomben, trotz Propaganda, trotz massiver Repression.
Gott stellt sich auf ihre Seite. Immer. Er sieht nicht nur die Sieger in Uniform. Er hört die, die schreien – auch wenn es nur innerlich ist.
„Denn das Reich Gottes steht nicht in Worten, sondern in Kraft.“
1. Korinther 4,20
Nicht in der Kraft von Waffen, sondern in einer anderen. Einer, die Berge versetzen kann, weil sie auf Liebe und Gerechtigkeit gebaut ist.
Wir erleben es heute: Wieder werden Informationen unterdrückt, wird Geschichte umgedeutet. Auch 1968 hieß es offiziell: Man helfe einem Bruderland. In Wahrheit zerstörte man es. Heute sagt man: Man befreie ein Nachbarland – und legt es in Trümmer.
Doch Gottes Maßstab bleibt ein anderer:
„Wehe denen, die unrechtes Gesetz geben und den Schreibern, die unrechtes Urteil schreiben.“
Jesaja 10,1
Was passiert, wenn Unrecht zum Gesetz wird? Wenn Menschen Macht missbrauchen? Dann ruft Gott uns dazu auf, nicht einfach wegzusehen. Nicht still zu sein. Sondern für Wahrheit einzustehen – so, wie es die Prager Bevölkerung damals tat. Wie es heute viele in Russland und Belarus versuchen – trotz massiver Repressionen.
In all dem liegt eine gewaltige geistliche Herausforderung: Wie umgehen mit Feinden? Wie umgehen mit Hass? Wie kann man beten, wenn die Welt in Flammen steht?
Jesus sagt dazu:
„Liebt eure Feinde; tut wohl denen, die euch hassen; segnet, die euch verfluchen; bittet für die, die euch beleidigen.“
Lukas 6,27–28
Das klingt wie Wahnsinn. Doch es ist das Gegenteil. Es ist die radikalste Form von Widerstand: Liebe, wo Hass regiert. Nicht in Ohnmacht erstarren, sondern in Hoffnung handeln.

Ich möchte Euch von einer Frau erzählen, deren Geschichte weltweit bekannt wurde: Im März 2022, kurz nach der russischen Besetzung von Cherson, trat eine ältere Ukrainerin auf russische Soldaten zu. In ihrer Hand: eine ukrainische Fahne. Ohne Waffen, ohne Schutz. Sie beschimpfte die Soldaten, sagte, sie hätten in ihrer Stadt nichts verloren – und gab einem von ihnen Sonnenblumenkerne: „Damit etwas wächst, wenn du hier stirbst.“
Diese Szene wurde gefilmt. Millionen Menschen sahen sie im Internet. Und bis heute steht diese Frau für den unbeugsamen Geist eines Volkes, das nicht aufgibt.
„Damit etwas wächst.“ – Was für ein Satz. Hoffnung, mitten im Horror. Mut, wo Angst regieren will. Das ist Menschsein im besten Sinne. Und genau dafür steht auch der Glaube, den Jesus uns lehrt: Nicht weichen, sondern lieben. Nicht hassen, sondern aufstehen.
Jesus selbst wurde unterdrückt. Gekreuzigt. Und genau da zeigt Gott seine größte Macht – nicht mit Gewalt, sondern mit der Auferstehung.
Deshalb: Auch wenn Panzer rollen – der Friede Gottes ist nicht totzukriegen.
Auch wenn Lügen laut sind – die Wahrheit Gottes bleibt.
Auch wenn Hoffnung überrollt wird – sie steht immer wieder auf.

Gott, wir bitten Dich für alle, deren Stimme unterdrückt wird – in der Ukraine, in Russland, in Belarus, im Iran, in so vielen Ländern dieser Erde.
Mach uns mutig, für sie einzustehen.
Gib uns klare Worte, wo andere schweigen.
Und schenk uns Liebe, wo Hass regiert. Lass uns Menschen sein, wie Du es gemeint hast.
Amen!
