804 – Wenn Nähe plötzlich Distanz wird

804 – Wenn Nähe plötzlich Distanz wird

Liebe Hörerinnen und Hörer, liebe Leser und Leserinnen,

manchmal passieren Dinge, die uns schlicht aus der Bahn werfen. Da war eine Kollegin, mit der man immer gut lachen konnte – und plötzlich: kalte Schulter. Oder ein guter Freund zieht sich zurück, wird sarkastisch oder meldet sich nicht mehr. Man hat keinen Streit gehabt, nichts „offensichtliches“ falsch gemacht. Und trotzdem: Etwas ist anders.

Diese Momente verunsichern. Wir fragen uns: Was habe ich falsch gemacht? Oder: Was stimmt mit der anderen Person nicht? Als Christ oder Christin stehen wir dann in einem besonderen Spannungsfeld: Bleibe ich freundlich, wenn der andere abweisend wird? Muss ich alles schlucken, nur weil ich an Nächstenliebe glaube? Oder darf ich auch mal auf Abstand gehen?

Jesus kannte solche Situationen gut. Einer seiner engsten Leute, Petrus, schwor ihm ewige Treue – und verleugnete ihn dann drei Mal. Einfach so, aus Angst, aus Druck, aus Überforderung. Jesus wusste das sogar vorher, aber er reagiert nicht mit Vorwurf oder Trotz. Sondern mit einem tiefen, liebevollen Blick. Diese Szene berührt mich immer wieder:

„Und der Herr wandte sich um und sah Petrus an. Da erinnerte sich Petrus an das Wort, das der Herr zu ihm gesagt hatte: Ehe der Hahn heute kräht, wirst du mich dreimal verleugnen.“
Lukas 22,61

Petrus' Verleugnung Jesu, Sora, prompted by ChatGPT
Petrus‘ Verleugnung Jesu, Sora, prompted by ChatGPT

Jesus gibt damit ein Beispiel: Er bleibt in Liebe verbunden, obwohl der andere ihn verletzt. Er reagiert nicht impulsiv, sondern sieht tiefer. Er sieht Petrus in seinem Schmerz, seiner Angst, seiner Zerrissenheit. Und er lässt Raum. Raum für Reue. Raum für Veränderung. Raum für Heilung.

Aber Jesus war kein Fußabtreter. Er spricht Dinge auch an – aber zur rechten Zeit. Nach seiner Auferstehung begegnet er Petrus erneut. Und statt einem Donnerwetter, stellt er ihm dreimal dieselbe Frage:

„Simon, Sohn des Johannes, hast du mich lieb?“
Johannes 21,17

Simon war der ursprüngliche Name von Petrus, bevor Jesus ihn „Petrus“ – also „Fels“ – nannte (Johannes 1,42). Indem Jesus ihn hier wieder „Simon“ nennt, erinnert er ihn vielleicht genau daran: Du bist nicht der „Fels“ wegen deiner Leistung – sondern, weil ich dich so sehe. Meine Berufung für dich bleibt bestehen – trotz allem.

Jesus stellt damit Beziehung wieder her. Er gibt Petrus die Möglichkeit, die drei Verleugnungen durch drei Liebesbekundungen zu „überschreiben“. Keine bloße Geste, sondern echte Versöhnung. Keine schnelle Wiedergutmachung, sondern ein heilender Prozess. Und er endet mit einem neuen Auftrag für Petrus: „Weide meine Schafe.“

Enttäuschte Erwartung, Sora, prompted by ChatGPT
Enttäuschte Erwartung, Sora, prompted by ChatGPT

Was heißt das für uns, wenn jemand sich uns gegenüber plötzlich abweisend verhält? Es heißt nicht, dass wir alles mit uns machen lassen müssen. Aber es heißt: Wir dürfen mit Gottes Blick schauen. Was könnte hinter dem Verhalten stecken? Vielleicht Überforderung? Vielleicht innerer Druck? Vielleicht hat der andere gerade ein Päckchen zu tragen, das wir nicht sehen können?

Und gleichzeitig: Wir dürfen uns schützen. Auch Jesus hat sich manchmal zurückgezogen, wenn der Druck zu groß wurde. Er hat nicht jede Diskussion gesucht. Aber er hat nie aufgehört zu lieben. Und genau darin liegt der Unterschied.

Vielleicht hilft dir heute ein kleiner Schritt: Nicht zurückschießen, sondern nachfragen. Nicht beleidigt sein, sondern neugierig bleiben. Oder – wenn der Moment noch nicht passt – innerlich bereit bleiben, wieder Brücken zu bauen. Vielleicht ist der andere gerade gar nicht in der Lage, offen zu sprechen. Aber dein Verhalten kann wie ein offenes Fenster wirken: Da ist noch Licht. Da ist noch Hoffnung. Da ist noch Beziehung möglich.

Ernstes Gespräch im Café, Sora, prompted by ChatGPT
Ernstes Gespräch im Café, Sora, prompted by ChatGPT

Und wenn du merkst, dass du verletzt bist: Dann sprich es aus. Zu Gott. Oder – wenn es dran ist – auch zum anderen. Nicht im Ton der Anklage, sondern im Ton des Vertrauens.

Jesus hat uns gezeigt, wie echte Beziehungen gehen: mit Geduld, mit Tiefe, mit Ehrlichkeit. Und manchmal eben auch mit einem liebevollen Blick statt eines schnellen Urteils.


Jesus, du hast Menschen nicht nach ihrem Verhalten beurteilt, sondern nach dem, was in ihrem Herzen war.

Hilf mir, nicht vorschnell zu reagieren, sondern mit deinem liebevollen Blick zu sehen.

Wo Beziehungen sich verändern, gib mir Geduld und Weisheit.

Und wo ich verletzt bin, heile mein Herz.

Amen!


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