Liebe Leserinnen und Leser, liebe Hörerinnen und Hörer,
der erste Advent steht vor der Tür. Lichterketten blinken, die ersten Plätzchen riechen nach Kindheit, und alles scheint sich ein bisschen zu entschleunigen – oder wenigstens bemühen wir uns darum. Doch mitten in dieser äußeren Vorbereitung liegt eine viel tiefere Einladung: Die Adventszeit will uns innerlich bereit machen. Für Hoffnung. Für Veränderung. Für Jesus. Und das beginnt vielleicht mit einem Wort, das stärker ist als jeder Lichterglanz: Barmherzigkeit.
Am 28. November wird weltweit der „Tag der Barmherzigkeit“ begangen. Zufall, dass er so dicht vor dem Advent liegt? Vielleicht. Vielleicht aber auch ein stilles Zeichen. Denn wenn wir ehrlich sind, braucht nicht nur die Welt dort draußen Barmherzigkeit – sondern auch wir. In unserem Alltag. In unseren Beziehungen. In unserem Herzen.
Jesus selbst macht das ganz konkret. Er sagt:
„Seid barmherzig, wie auch euer Vater barmherzig ist.“
Lukas 6,36
Das klingt einfach. Und ist doch vielleicht das Schwierigste überhaupt. Denn Barmherzigkeit ist nicht einfach nett sein. Es ist ein Lebensstil. Es bedeutet: nicht verurteilen, nicht zurückschlagen, nicht beleidigt sein – sondern verstehen, verzeihen, neu anfangen lassen. Wer so lebt, macht sich verletzlich. Aber auch frei.
In der Adventszeit erwarten viele ein „besinnliches Gefühl“. Doch was, wenn dieses Gefühl nicht einfach so vom Himmel fällt? Was, wenn es in Wahrheit dann entsteht, wenn wir barmherzig sind – mit uns selbst und mit anderen? Barmherzigkeit ist kein vorweihnachtlicher Bonuspunkt. Sie ist der Weg, den Gott selbst gewählt hat, um uns zu begegnen. Und sie ist der Weg, auf dem wir Jesus entgegengehen.
Paulus bringt das auf den Punkt, wenn er schreibt:
„Zieht nun an als die Auserwählten Gottes, als die Heiligen und Geliebten: herzliches Erbarmen, Freundlichkeit, Demut, Sanftmut, Geduld.“
Kolosser 3,12
Warten auf Weihnachten heißt also nicht: Däumchen drehen und Plätzchen backen. Es heißt: sich bereit machen. Und das geht nicht ohne Erbarmen, ohne Güte, ohne dieses innere Kleid, das Paulus beschreibt. Wer so „angezogen“ ist, der hat das Advents-Outfit schlechthin.
Dass Barmherzigkeit mitten im Alltag geschehen kann, zeigt eine berührende Geschichte aus England, die im Guardian veröffentlicht wurde: Eine Frau stand an der Supermarktkasse und konnte ihre Einkäufe nicht bezahlen. Sie war verzweifelt. Doch eine Fremde hinter ihr bezahlte spontan den gesamten Betrag. Einfach so. Kein großes Aufsehen. Nur ein leiser Akt der Menschlichkeit. Die betroffene Frau schrieb später: „Ich war überwältigt. Es hat meinen Blick auf die Welt verändert.“
Solche Momente sind kein Zufall. Sie sind Advent. Echt. Greifbar. Und sie verändern. Vielleicht nicht gleich die Welt – aber vielleicht das Herz eines Menschen. Und das reicht schon.
Deshalb: Lass uns diese Zeit nicht nur nutzen, um Lichter aufzuhängen – sondern um Licht in die Welt zu tragen. Vielleicht beginnt das mit einem Anruf bei jemandem, den wir lange übergangen haben. Mit einem ehrlichen „Tut mir leid“. Oder mit einem Kaffee, den wir jemandem spendieren, der es nötig hat.
Der Weg nach Weihnachten führt durch die Gassen der Barmherzigkeit. Lass ihn uns gemeinsam gehen. Vielleicht wird das dann wirklich die „stille Zeit“ – nicht weil es leise ist, sondern weil unsere Herzen ruhiger werden.
Guter Gott,
du hast uns dein Herz gezeigt – voller Güte, voller Geduld, voller Barmherzigkeit.
Hilf uns, genauso zu leben.
Mach uns bereit, für dich und für die Menschen um uns.
Schenk uns ein Herz, das versteht, vergibt und Hoffnung sät.
Amen!