
Liebe Hörerinnen und Hörer, liebe Leserinnen und Leser,
heute begehen wir in Europa einen Gedenktag, der kaum in große Schlagzeilen kommt, aber dringend in unsere Herzen muss: den Gedenktag für die Opfer der globalen Klimakrise. Es ist ein Tag des Erinnerns – an die, die durch Flut, Hitze, Feuer, Hunger oder Krieg, ausgelöst oder verschärft durch Klimaveränderungen, ihr Leben verloren haben. Ein Tag, der uns mahnt, nicht nur zu schauen, sondern zu handeln. Es ist ein Tag, der uns alle angeht – egal ob wir mit Sonnencreme im Garten sitzen oder in Kellern Sandsäcke stapeln.

Gestern war ein solcher Tag. Ein Tag, an dem uns das Thema Klima nicht nur aus Berichten begegnet ist, sondern auf unserer eigenen Haut spürbar wurde. Der 2. Juli 2025 war einer der heißesten Tage des Jahres – mit Rekordtemperaturen quer durch Europa. Besonders Spanien leidet unter einer Hitzewelle, wie sie das Land seit Jahrzehnten nicht mehr erlebt hat. Menschen mussten in klimatisierte Notunterkünfte gebracht werden, ganze Ernten verdorren auf den Feldern. Feuerwehren kämpfen gegen neue Waldbrände. Und Meteorologen warnen: Das ist kein Ausrutscher – es ist das neue Normal.
Aktuelle Studien zeigen, dass die jährlichen Hitzerekorde nicht nur häufiger, sondern auch gefährlicher werden. In den letzten zehn Jahren wurden in Europa acht neue Temperaturhöchstwerte registriert – in Folge. Das hat Konsequenzen: für die Gesundheit, für die Landwirtschaft, für die Wasserreserven. Und nicht zuletzt für die Seele. Denn wer in einer Welt lebt, die brennt, verliert leicht den Mut.
In der Bibel begegnet uns eine uralte Geschichte, die im Grunde auch von einer Naturkatastrophe handelt: die Sintflut. Gott spricht zu Noah:
„Denn siehe, ich will eine Sintflut kommen lassen auf Erden, zu verderben alles Fleisch, darin Odem des Lebens ist unter dem Himmel; alles, was auf Erden ist, soll untergehen.“
1. Mose 6,17
Diese Geschichte ist keine naturwissenschaftliche Erklärung – sie ist ein Spiegel. Sie zeigt, wie eng unser Handeln mit der Schöpfung verwoben ist. Gott zerstört nicht willkürlich, sondern weil das Maß menschlicher Gewalt voll ist. Und doch rettet er Noah, seine Familie – und mit ihnen die Tiere. Rettung und Verantwortung gehören zusammen.
Gott sagt nach der Flut:
„Meinen Bogen habe ich gesetzt in die Wolken; der soll das Zeichen sein des Bundes zwischen mir und der Erde.“
1. Mose 9,13

Dieser Regenbogen ist mehr als hübsch. Er ist ein Versprechen – und ein Auftrag. Gott verspricht, die Erde nicht wieder zu vernichten. Aber er fordert uns damit heraus: Lebt so, dass Leben bleibt.
Jesus greift dieses Denken auf, ohne Klimawissenschaft zu kennen. Aber er kennt den Schmerz der Leidenden. Er sagt:
„Was ihr getan habt einem von diesen meinen geringsten Brüdern, das habt ihr mir getan.“
Matthäus 25,40
Wer heute an die Opfer der Klimakrise denkt – an Bauern in Ostafrika, an Kinder in Bangladesch, an alte Menschen in Pariser Dachwohnungen – der begegnet Christus selbst. Er leidet mit. Er stirbt mit. Und er ruft uns, die wir leben, nicht zum Wegsehen, sondern zum Mitgehen.
Ich habe gelesen, dass auf den Philippinen mittlerweile die Stürme so heftig sind, dass manche Dörfer schlicht nicht mehr aufgebaut werden. „Wir ziehen weiter“, sagte ein Bürgermeister. „Die Erde hier gehört noch uns, aber sie will uns nicht mehr.“ Diese Worte gehen unter die Haut. Denn sie erzählen vom Verlust – nicht nur von Leben, sondern von Heimat. Und sie machen klar: Klimawandel ist kein Naturphänomen, sondern menschliches Versagen, das Leiden schafft.
Die Bibel kennt diese Sprache. Im Buch Jesaja lesen wir:
„Wehe denen, die Haus an Haus reihen und Feld an Feld fügen, bis kein Raum mehr da ist und sie allein das Land besitzen!“
Jesaja 5,8
Klimakrise ist auch eine Gerechtigkeitskrise. Wir hier im globalen Norden haben über Jahrzehnte auf Pump gelebt – auf Kosten von Mensch und Erde. Der Gedenktag heute ist kein Alibi-Tag. Er ist ein Weckruf.
Doch wie gehen wir damit um? Was können wir tun? Sicher: Wir können bewusster leben, weniger fliegen, regional einkaufen, Energie sparen. Aber es beginnt tiefer. Es beginnt mit einem geistlichen Aufbruch. Mit der Entscheidung: Ich will das Leben ehren – nicht nur meins.

Die Psalmen zeigen, wie tief diese Haltung reichen kann. Dort heißt es:
„Die Himmel erzählen die Ehre Gottes, und die Feste verkündigt seiner Hände Werk.“
Psalm 19,2
Wenn wir die Erde lieben, ehren wir ihren Schöpfer. Wenn wir sie ausbeuten, verraten wir ihn. So klar ist das. Und so heilsam kann es sein, umzukehren.
Am Gedenktag für die Opfer der Klimakrise geht es nicht nur um Trauer. Es geht auch um Hoffnung. Denn Gedenken ist nicht nur Rückblick – es ist Aufbruch. Wenn wir die Namenlosen ehren, die in Hitze und Wasser starben, geben wir ihnen Würde zurück. Und wir geben unserer eigenen Zukunft Richtung.
Lasst uns also innehalten. Nicht für ein schlechtes Gewissen. Sondern für ein gutes Leben. Für ein gerechtes Morgen. Für ein Handeln, das mehr ist als Symbol. Denn Gott hat uns die Erde nicht geliehen – er hat sie uns anvertraut.
Gott, du Schöpfer allen Lebens,
wir trauern heute um die, die wir nicht kannten und doch vermissen.
Um die Kinder, Frauen, Männer, die gestorben sind, weil wir nicht rechtzeitig gehandelt haben.
Wecke unser Gewissen, belebe unseren Mut, stärke unsere Hoffnung.
Lehre uns, das Leben zu schützen – mit Herz, Verstand und Kraft.
Sei du unser Trost und unser Antrieb.
Amen!
