Liebe Hörerinnen und Hörer, liebe Leserinnen und Leser,
morgen beginnt die sogenannte Bittwoche – und sie kommt eigentlich genau zum richtigen Zeitpunkt. Während die Nachrichten voll sind mit dürren Böden, Wetterextremen und hitzigen Debatten über Klimaschutz, erinnert uns die alte Tradition der Bitttage daran, dass es da noch eine andere Dimension gibt: das Gebet. Nicht als magische Lösung, sondern als Ausdruck von Verantwortung, Hoffnung und Beziehung – zu Gott, zur Erde und zueinander.
Die Bittwoche hat ihren Ursprung im 5. Jahrhundert. Der Bischof Mamertus von Vienne rief damals zu besonderen Gebeten auf, weil Erdbeben und Missernten die Menschen verunsicherten. Er sagte: „Lasst uns gemeinsam bitten – um Bewahrung, um Segen, um Frieden.“ Und das taten sie. In Prozessionen gingen sie betend durch ihre Felder und Dörfer. Und die Kirche übernahm diese Form – bis heute.
In der römisch-katholischen Kirche wird dieser Bischof Mamertus bis heute sehr verehrt – als jemand, der mit geistlicher Weitsicht auf das reagierte, was seine Zeit aus dem Gleichgewicht brachte. Und auch wenn die Bittwoche in evangelischen Kirchen heute nicht mehr überall begangen wird, sind die Themen, um die es geht, alles andere als nur katholisch: Es geht um die Verantwortung für Gottes gute Schöpfung, um Gemeinschaft, um Fürbitte – und um Hoffnung gegen den Trend.
Jesus selbst hat uns gezeigt, wie das geht – mit Worten und mit Taten. In einem seiner letzten Gespräche mit den Jüngern sagt er:
„Bittet, so wird euch gegeben; suchet, so werdet ihr finden; klopfet an, so wird euch aufgetan.“
Matthäus 7,7
Das ist keine spirituelle Einkaufsliste. Das ist ein Aufruf zum Leben im Vertrauen. Ein Aufruf, nicht alles alleine schaffen zu wollen. Sondern sich mit anderen zu verbinden – mit Gott und mit den Menschen, die mit uns unterwegs sind.

Vielleicht gehen wir die Bitttage dieses Jahr mal anders an. Nicht mit einer klassischen Prozession – sondern mit einem Spaziergang. Allein oder mit Freunden. Und an jeder Ecke sprechen wir eine Bitte aus: Für den Baum am Straßenrand. Für den Bach, der immer weniger Wasser führt. Für das Kind, das zur Schule hetzt. Für den Landwirt, der nicht mehr weiß, wie er seinen Hof halten soll.

Wir könnten zum Beispiel beten wie David im Alten Testament:
„Er sendet sein Wort und schmelzt sie; er lässt seinen Wind wehen, so taut es auf.“
Psalm 147,18
Oder wir singen. Denn das ist auch ein Gebet. Musik trägt Bitten oft weiter als Worte. In vielen Gemeinden wird zur Bittwoche draußen gesungen – am Feldrand, auf dem Kirchhof, im Wald. Einfach so. Nicht laut, sondern mit Herz.

Ich habe einmal von einer kleinen Gemeinde gelesen, irgendwo in Franken. Dort treffen sich seit Jahren Menschen am Montag der Bittwoche – früh um sechs. Mit Gummistiefeln, Thermoskanne und einer Gitarre. Sie gehen gemeinsam los, beten, singen und sprechen laut aus, was ihnen auf dem Herzen liegt. Und am Ende sagen sie sich: „Jetzt wissen wir wieder, wo unser Platz ist – unter dem Himmel, auf der Erde, mit Gott.“

Vielleicht ist das das stärkste Bild dieser Woche: Wir gehen durch unsere Welt – und wir tun das nicht allein. Wir nehmen unsere Verantwortung ernst, ja. Aber wir lassen uns auch tragen. Von der Hoffnung. Von der Gemeinschaft. Und von dem Glauben, dass Gott nicht nur zuhört, sondern mitgeht.
Gott, wir bitten dich: Lass uns nicht gleichgültig werden. Öffne unsere Augen für das, was leidet – in der Natur, in unseren Städten, in den Herzen der Menschen. Schenke uns Worte und Wege, die deine Liebe sichtbar machen. Stärke uns durch dein Wort, durch Stille, durch Gemeinschaft. Lass uns Hoffnung säen – auch da, wo wir noch keinen Regen sehen.
Amen!