638 – Aufrüsten für den Frieden?

638 – Aufrüsten für den Frieden?

Herzlich willkommen, liebe Leserinnen und Leser, liebe Hörerinnen und Hörer,

vor wenigen Tagen haben sich die Verteidigungsministerinnen und -minister der NATO in Brüssel getroffen. Es ging um nicht weniger als das größte Aufrüstungsziel seit Jahrzehnten. 5 % des Bruttoinlandsprodukts sollen künftig für Verteidigung ausgegeben werden – für Waffen, Infrastruktur, Mobilmachung. Vor allem, so heißt es, zur Abschreckung gegenüber Russland. Heute ist Bundesverteidigungsminsiter Pistorius in Kiew.

Die Diskussion ist brisant. Manche begrüßen den Vorschlag. Andere warnen vor einer neuen Spirale der Gewalt. Wieder andere erinnern an die Friedenspflicht der westlichen Demokratien. Was aber sagt der Glaube dazu?

Natürlich sucht man in der Bibel vergeblich nach einem NATO-Vertrag oder Rüstungsdebatten auf Ministerebene. Doch was wir sehr wohl finden, sind Haltungen, die tiefer gehen als jeder diplomatische Kompromiss. Worte, die über Jahrtausende hinweg Orientierung geben – gerade dann, wenn die Welt kompliziert wird. In der Bergpredigt sagt Jesus:

„Selig sind, die Frieden stiften; denn sie werden Gottes Kinder heißen.“
Matthäus 5,9

Frieden stiften – das klingt nach Deeskalation, nach Vertrauen, nach Diplomatie. Aber gleichzeitig wissen wir: Frieden ist nicht immer einfach zu haben. Manchmal bedroht ein Tyrann die Schwachen. Manchmal hilft ein Gespräch nicht weiter. Was dann?

Der Apostel Paulus schreibt in seinem Brief an die Römer:

„Ist’s möglich, soviel an euch liegt, so habt mit allen Menschen Frieden.“
Römer 12,18

Das ist eine realistische Formulierung. „Soviel an euch liegt“ – das heißt auch: Manchmal liegt es nicht an uns. Manchmal ist der Frieden nicht erreichbar, weil andere ihn verweigern. Aber: Unsere Aufgabe bleibt, alles dafür zu tun, dass er möglich wird.

Die Bibel kennt beides: die Mahnung zur Abrüstung und das Wissen um Notwehr. Jesus selbst stellt sich Gewalt nicht mit Gewalt entgegen – aber er entzieht sich auch nicht den Konflikten. Als Soldaten zu Johannes dem Täufer kommen, sagt er nicht: „Lass alles liegen und werde Friedensaktivist.“ Nein, er sagt:

„Tut niemand Gewalt oder Unrecht und lasst euch genügen an eurem Sold.“
Lukas 3,14

Das ist keine radikale Ablehnung des Militärs. Es ist ein Aufruf zur Verantwortung. Auch Waffen können Teil einer Welt sein, in der Gerechtigkeit geschützt werden muss – aber sie dürfen nie Selbstzweck sein.

Der Prophet Micha träumt einmal von einer Zukunft, in der Schwerter zu Pflugscharen werden:

„Sie werden ihre Schwerter zu Pflugscharen machen und ihre Spieße zu Sicheln. Kein Volk wird gegen das andere das Schwert erheben, und sie werden hinfort nicht mehr lernen, Krieg zu führen.“
Micha 4,3

Das ist das große Ziel. Aber noch sind wir nicht dort. Solange es Gewalt gibt, muss sie manchmal begrenzt werden. Die Frage ist: Tun wir das im Geist der Friedensstifter oder mit dem Kalkül der Machtpolitiker?

Nachdenklicher Soldat, Sora, prompted by ChatGPT
Nachdenklicher Soldat, Sora, prompted by ChatGPT

Die NATO diskutierten über 5 %. Das ist viel Geld. Die Kirchen diskutieren über Vertrauen, Gerechtigkeit, Frieden. Auch das ist notwendig. Denn wenn Menschen glauben, dass der andere nicht nur Feind ist – sondern Mensch –, dann beginnt echter Friede.

Generationsübergreifende Diskussion am Küchentisch, Sora, prompted by ChatGPT
Generationsübergreifende Diskussion am Küchentisch, Sora, prompted by ChatGPT

Was wir brauchen, ist nicht nur militärische Stärke. Was wir brauchen, ist moralische Klarheit. Und Mut zum Gespräch. Zum Gebet. Und zum ehrlichen Blick: Trägt unsere Rüstung wirklich zum Frieden bei – oder nur zur Angstvermehrung?

Frieden beginnt im Herzen. Und manchmal auch in der Entscheidung, nicht laut, sondern klug zu handeln. Nicht aus Angst, sondern aus Verantwortung. Für manche heißt das: aufeinander zugehen, reden, deeskalieren. Für andere bedeutet es, Stärke zu zeigen, um Verletzliche zu schützen. Beide Wege können aus einem tiefen Wunsch nach Frieden kommen – entscheidend ist, dass sie nicht von Hass, sondern von Hoffnung getragen sind.


Herr, wir bitten dich um Frieden. Nicht als leere Formel, sondern als Haltung. Stärke die, die deeskalieren. Bewahre die, die schützen müssen. Und lass uns immer wieder neu prüfen, wo wir stehen – auf der Seite der Macht oder auf der Seite des Lebens.

Amen!


In einer früheren Version dieser Andacht hieß es, das Treffen der NATO-Verteidigungsminister fände heute, am 12. Juni 2025, statt. Tatsächlich hat dieses bereits vor wenigen Tagen in Brüssel stattgefunden. Der Text wurde inzwischen korrigiert. 

In der bereits produzierten Podcast-Folge ist der Fehler noch enthalten.

Wie gehen wir mit Fehlern um – öffentlich, ehrlich und glaubwürdig?
Genau diesem Thema widmen wir uns in der morgigen Andacht (13. Juni 2025).
Ein Text über Verantwortung, Vertrauen und die Kraft, „Ich habe mich geirrt“ zu sagen.

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