Liebe Hörerinnen und Hörer, liebe Leserinnen und Leser,
heute ist der längste Tag des Jahres. Die Sonne steht hoch, der Schatten ist kurz – ein Tag, der zum Innehalten einlädt. Vielleicht feiern einige von euch Mittsommer, zünden ein Feuer an, tanzen oder sitzen einfach draußen und genießen den Abend. Der 21. Juni markiert die Sommersonnenwende. Ein Naturereignis, das seit Jahrtausenden festlich begangen wird – von Kelten, Germanen und in jüngerer Zeit auch von Nachbarn in Schweden und Finnland. Aber was macht dieser Tag mit uns? Und: Was hat das Ganze eigentlich mit dem christlichen Glauben zu tun?
Es ist kein Zufall, dass nur wenige Tage später, am 24. Juni, der Johannistag gefeiert wird – der Geburtstag von Johannes dem Täufer. Die frühe Kirche hat diesen Tag bewusst nahe an die Sonnenwende gelegt. Warum? Weil Johannes von sich selbst sagte:
„Er muss wachsen, ich aber muss abnehmen.“
Johannes 3,30

Mit diesem Satz verweist Johannes auf Jesus. Johannes weiß: Sein Licht, sein Ruhm, seine Bedeutung sind nicht das Ziel. Er ist nur der Wegweiser – das Licht ist Christus. So wie nach dem 21. Juni die Tage langsam wieder kürzer werden, so nimmt symbolisch Johannes‘ Bedeutung ab. Und genau darin liegt die Stärke dieses Tages.
Wenn wir in den Himmel schauen und die Sonne heute besonders lange sehen, dann ist das nicht nur ein astronomisches Ereignis. Es kann uns erinnern an die vielen Lichtmomente unseres Lebens. An Hoffnungsschimmer in dunklen Zeiten. An kleine und große Wunder, die wir erlebt haben. Und auch an Menschen, die für uns wie ein Licht waren.
In der Bibel ist Licht eines der stärksten Bilder für Gott. Schon ganz am Anfang heißt es:
„Und Gott sprach: Es werde Licht! Und es ward Licht.“
1. Mose 1,3
Und später sagt Jesus selbst:
„Ich bin das Licht der Welt. Wer mir nachfolgt, der wird nicht wandeln in der Finsternis, sondern wird das Licht des Lebens haben.“
Johannes 8,12
Es ist faszinierend, dass so viele alte Traditionen – ob heidnisch oder kulturell – das Licht feiern, genau in der Zeit, in der das Licht am stärksten strahlt. Die Kirche hat das nicht ignoriert, sondern aufgenommen. Aus einem Sonnenfest wurde ein Lichtfest. Aus dem Feuer zur Sonnenanbetung wurde das Johannisfeuer – ein Symbol für Christus, das wahre Licht.
Und wir? Wir leben irgendwo dazwischen. Zwischen Traditionen, die wir vielleicht einfach aus Spaß mitmachen, und einer Sehnsucht, die tiefer geht. Wir zünden Kerzen an, wir feiern mit anderen, wir suchen nach Sinn. Und manchmal – vielleicht gerade an einem langen Sommerabend – spüren wir: Da ist mehr.
Ich erinnere mich an eine Geschichte aus Norwegen, die ich mal gelesen habe: Ein kleines Dorf oben in den Bergen, wo im Winter die Sonne monatelang nicht über die Berge kommt. Im Juni, wenn die Sonne das erste Mal wieder ins Dorf scheint, feiern die Menschen ein Fest. Nicht groß, nicht touristisch – sondern still, mit einem gemeinsamen Frühstück auf dem Marktplatz. Sie sitzen einfach da, schauen in die Sonne – und danken. Kein großes Getöse. Nur Dankbarkeit. Für das Licht, das zurückkommt. Für das Leben, das weitergeht. Für Gott, der da ist, auch wenn man ihn eine Zeit lang nicht sieht.

Vielleicht ist das die Botschaft der Sommersonnenwende: Licht ist mehr als Sonne. Licht ist Hoffnung. Licht ist Leben. Licht ist Christus. Und wenn wir heute draußen sind, feiern oder einfach nur den Abendhimmel anschauen – dann dürfen wir genau daran denken.
Gott, danke für das Licht.
Für die Sonne am Himmel und für das Licht in unserem Herzen.
Danke für alle, die uns Hoffnung bringen.
Lass uns selbst zum Licht für andere werden – nicht aus eigener Kraft, sondern weil du in uns leuchtest.
Amen!