687 – Was bleibt, wenn wir gehen?

687 – Was bleibt, wenn wir gehen?

Liebe Hörerinnen und Leser,

manchmal kommt der Moment, da heißt es Abschied nehmen. Manchmal freiwillig, manchmal schmerzhaft. Manchmal in aller Stille, manchmal mitten im Lärm. In Apostelgeschichte 20 lesen wir von einem solchen Moment. Paulus weiß, dass sein Weg nach Jerusalem ihn womöglich das Leben kosten wird. Und so ruft er die Ältesten der Gemeinde von Ephesus zu sich – um Abschied zu nehmen. Was er sagt, ist kein sentimentales Winken. Es ist eine Art Lebensbilanz. Und es ist zugleich ein Vermächtnis.

„Und nun siehe, ich weiß, dass ihr mein Angesicht nicht mehr sehen werdet, ihr alle, bei denen ich umhergegangen bin und das Reich gepredigt habe.“
Apostelgeschichte 20,25

Das ist keine Kleinigkeit. Das ist eine der ehrlichsten Abschiedszeilen der Bibel. Paulus sagt nicht: Vielleicht sehen wir uns noch einmal. Er beschönigt nichts. Kein religiöser Trost. Keine Durchhalteparolen. Nur: Ich gehe. Und ihr werdet mich nicht wiedersehen. Da steht ein Mann, der nicht mehr viel zu verlieren hat – und gerade deshalb alles gibt.

„Darum bezeuge ich euch am heutigen Tag, dass ich rein bin von aller Blutschuld; denn ich habe nichts zurückgehalten, sondern habe euch den ganzen Ratschluss Gottes verkündigt.“
Apostelgeschichte 20,26-27

Wer kann das schon von sich sagen: Ich habe nichts zurückgehalten? Paulus hat gesagt, was gesagt werden musste. Auch dann, wenn es unpopulär war. Auch dann, wenn es unbequem war. Auch dann, wenn es ihn selbst in Schwierigkeiten gebracht hat. Das ist kein narzisstischer Stolz. Das ist Klarheit. Und es ist ein Maßstab. Auch für uns heute.

Paulus redet weiter. Und er warnt. Nicht mit erhobenem Zeigefinger, sondern mit offenen Augen:

„Denn das weiß ich, dass nach meinem Abschied gräuliche Wölfe zu euch kommen werden, die die Herde nicht verschonen. Auch aus eurer Mitte werden Männer aufstehen, die Verkehrtes lehren, um die Jünger an sich zu ziehen.“
Apostelgeschichte 20,29-30

Starke Worte. Vielleicht zu stark für manche Ohren heute. Aber Paulus kennt die Realität. Er weiß: Zerstörung beginnt selten mit äußeren Feinden. Sie beginnt innen. Mit Ego. Mit Gier. Mit Macht. Auch in der Kirche. Auch in Gemeinschaften. Wer nur noch sich selbst sieht, hat vergessen, wofür Jesus lebt – und starb.

Abschied am Antiken Hafen, Sora, prompted by ChatGPT
Abschied am Antiken Hafen, Sora, prompted by ChatGPT

Paulus überlässt seine Gemeinde nicht sich selbst. Er gibt sie weiter. Aber nicht an einen anderen Menschen. Sondern an den, dem er alles verdankt:

„Und nun befehle ich euch Gott und dem Wort seiner Gnade, das die Kraft hat, euch aufzuerbauen und das Erbe zu geben unter allen, die geheiligt sind.“
Apostelgeschichte 20,32

Gott – und das Wort seiner Gnade. Nicht das Gesetz. Nicht die Vorschriften. Nicht ein Regelkatalog. Sondern Gnade. Dieses kleine, große Wort. Das Kraft hat. Und Freiheit. Und Hoffnung. Wenn wir heute loslassen müssen – Menschen, Träume, Gewohnheiten – dann brauchen wir genau das: Gnade, die trägt, wenn unsere Kraft nicht mehr reicht.

Und dann kommt dieser berühmte Satz. Ein Satz, den man Paulus gar nicht zugetraut hätte. Kein theologischer Hammer. Kein dogmatischer Schluss. Sondern ein Satz, der tief in den Alltag spricht:

„Ich habe euch in allem gezeigt, dass man so arbeiten muss und sich der Schwachen annehmen, eingedenk der Worte des Herrn Jesus, der selbst gesagt hat: Geben ist seliger als nehmen.“
Apostelgeschichte 20,35

Diesen Satz Jesu findet man nirgendwo sonst. Aber er trifft den Kern. Nicht das Nehmen macht reich, sondern das Geben. Nicht das Aufsaugen, sondern das Weitergeben. Wer gibt, lebt tiefer. Echter. Wahrer. Und manchmal braucht es einen Abschied, um das zu begreifen.

Vielleicht ist diese Szene aus Apostelgeschichte 20 so berührend, weil sie so real ist. Keine fromme Show. Kein Wohlfühlgottesdienst. Sondern Tränen, Umarmungen, Hoffnung – und trotzdem Abschied. Und in allem: Vertrauen. Auf Gott. Auf sein Wort. Auf seine Gnade.

Abschied - was bleibt?, ChatGPT, prompted by ChatGPT
Abschied – was bleibt?, ChatGPT, prompted by ChatGPT

Und du? Was würdest du sagen, wenn du wüsstest: Jetzt ist es Zeit zu gehen? Was bleibt von deinem Leben – in anderen? In deinem Herzen? Und in Gott?


Gott, du kennst unsere Wege – die langen und die kurzen.

Du weißt, wann es Zeit ist zu gehen, und wann zu bleiben.

Hilf uns, mutig zu leben, wahrhaftig zu reden und loszulassen, wenn es dran ist.

Schenk uns deine Gnade – auch wenn wir nicht alles richtig machen.

Denn du bleibst – wenn wir gehen.

Amen!


Wie es mit Paulus weiter geht, erzählt die nächste Andacht.

2 Kommentare

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