Liebe Leserinnen und Hörer,
nach dem Abschied kommt oft der Moment der Stille. Wenn die Umarmungen verklungen sind, die Tränen getrocknet. Wenn der Weg vor einem liegt und keiner einen aufhält. So ging es Paulus. Am Vortag hatte er den Ältesten von Ephesus in Milet in die Augen geschaut – mit der Klarheit: Wir sehen uns nicht wieder. Und doch geht er weiter. Nach Jerusalem. Nicht, weil es leicht ist. Sondern weil er weiß: Das ist jetzt dran.
„Als wir uns aber von ihnen losgerissen hatten und abgefahren waren, kamen wir geradewegs nach Kos und am folgenden Tag nach Rhodos und von dort nach Patara.“
Apostelgeschichte 21,1
Schon das erste Wort trifft. Sie haben sich „losgerissen“. Das ist keine entspannte Weiterreise. Das ist Kampf. Innerlich. Wer einmal echte Liebe, tiefe Gemeinschaft erlebt hat, der weiß: Trennung tut weh. Paulus reißt sich los – von Menschen, von Nähe, von Sicherheit. Und geht doch weiter.
Die Route ist nicht zufällig. Kos, Rhodos, Patara – alles Hafenstädte, Umschlagplätze, Knotenpunkte. Aber Paulus sucht nicht das Zentrum der Macht. Er will nach Jerusalem. Dorthin, wo es ungemütlich wird. Wo Widerstand wartet. Und Angst. Und doch – auch Heimat.
Später, als sie in Tyrus sind, geschieht etwas Besonderes:
„Als wir die Jünger gefunden hatten, blieben wir sieben Tage dort. Sie sagten Paulus durch den Geist, er solle nicht hinauf nach Jerusalem ziehen.“
Apostelgeschichte 21,4
Das ist spannend. Menschen, erfüllt vom Heiligen Geist, warnen Paulus. Sie sagen: Tu es nicht. Geh nicht nach Jerusalem. Das wird gefährlich. Vielleicht sogar tödlich. Und was macht Paulus? Er hört sie. Er nimmt es ernst. Aber er geht trotzdem. Weil er weiß: Gott führt nicht immer auf sichere Wege. Aber auf wahre.
Und dann kommt diese Szene in Cäsarea. Paulus trifft einen Propheten namens Agabus. Und was der macht, ist krass:
„Und als er zu uns gekommen war, nahm er den Gürtel des Paulus, band sich die Füße und Hände und sprach: So spricht der Heilige Geist: Den Mann, dem dieser Gürtel gehört, werden die Juden in Jerusalem so binden und in die Hände der Heiden geben.“
Apostelgeschichte 21,11

Das ist kein Theater. Das ist prophetische Aktion. Jeder sieht, was das heißt. Paulus wird gefesselt, verhaftet, ausgeliefert. Und alle – auch seine engsten Freunde – bitten ihn: Geh nicht. Bleib hier. Du hast doch genug getan.
Und Paulus? Sagt diesen unfassbaren Satz:
„Was macht ihr, dass ihr weint und mir das Herz bricht? Ich bin bereit, nicht allein mich binden zu lassen, sondern auch zu sterben in Jerusalem für den Namen des Herrn Jesus.“
Apostelgeschichte 21,13
„Ihr brecht mir das Herz“ – das ist kein Heldentum. Kein „Ich schaff das schon“. Paulus ist tief berührt. Er ringt. Er leidet. Aber er bleibt klar: Ich gehe. Nicht, weil ich will. Sondern weil ich muss. Für Jesus. Für das, wofür ich lebe. Und wenn’s sein muss, auch sterbe.
Das ist keine Logik der Welt. Das ist Hingabe. Und Liebe. Paulus geht nicht ins Unheil, weil er lebensmüde ist. Sondern weil er lebendig ist. Weil sein Leben nicht ihm gehört – sondern Christus. Und er vertraut: Was auch kommt – Gott hat’s in der Hand.
Die Menschen um ihn geben irgendwann auf. Nicht aus Gleichgültigkeit. Sondern, weil sie erkennen: Das ist größer als unser Wunsch nach Sicherheit. Und sie sagen:
„Der Wille des Herrn geschehe!“
Apostelgeschichte 21,14
Vielleicht ist das einer der schwersten Sätze überhaupt. Den eigenen Willen loslassen. Den geliebten Menschen gehen lassen. Den Schmerz aushalten – und sagen: Herr, dein Wille geschehe. Nicht weil es uns egal ist. Sondern weil wir dir mehr vertrauen als unseren eigenen Plänen.
Paulus geht weiter. Und wir wissen: In Jerusalem wird’s hart. Aber das ist eine andere Geschichte. Heute bleibt: Ein Mann, der nicht einfach stark ist – sondern gehorsam. Ein Herz, das nicht gefühllos ist – sondern tief verwurzelt in der Liebe Gottes.

Und die Frage an uns: Was hält uns zurück, wenn wir längst wissen, wohin wir gehen sollen? Welche Stimmen meinen es gut – aber hindern uns doch? Und wo brauchen wir genau diesen Mut, den Paulus hatte?
Gott, wir wollen nicht nur bequem leben, sondern wahr.
Gib uns Mut, auch unbequeme Wege zu gehen, wenn sie zu dir führen.
Bewahre uns davor, aus Angst stehenzubleiben.
Und schenke uns die Kraft, loszugehen – auch wenn wir weinen.
Amen!
Weiter geht die Geschichte in der Folge 689.
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