Liebe Leserinnen und Hörer, liebe Hörer und Leser,
schön, dass Sie heute dabei sind. Diese Andacht richtet sich an alle, die manchmal das Gefühl haben, im Hintergrund zu stehen – beruflich, familiär oder im Glauben. Wir schauen heute auf die Kraft des unscheinbaren, treuen Dienstes und entdecken, wie Gott gerade im Verborgenen wirkt.
Es gibt Persönlichkeiten, die leuchten – nicht weil sie laut waren oder auf großen Bühnen standen, sondern weil sie in Treue das gelebt haben, was ihnen anvertraut war. Einer von ihnen war Alphonsus Rodriguez, ein katholischer Laienbruder aus dem 16. Jahrhundert. Und obwohl dies ein evangelisches Angebot ist, lohnt sich der Blick über die Konfessionsgrenze, weil dieser Mann für eine Haltung steht, die zutiefst christlich ist: Dienstbereitschaft im Alltag – ohne Aufsehen, aber mit großer Wirkung.

Rodriguez war kein Prediger, kein Missionar, kein Gelehrter. Er war Pförtner. Ein Mann, der Türen öffnete. Jahrelang. Jahrzehntelang. Und das mit Hingabe. Doch das war nicht immer so.
Alphonsus Rodriguez wurde 1533 in Spanien geboren. Als junger Mann übernahm er das elterliche Geschäft, heiratete, gründete eine Familie. Doch das Glück zerbrach früh: Erst verlor er zwei seiner Kinder, dann seine Ehefrau, schließlich auch das Geschäft. Er stand mit leeren Händen da – äußerlich und innerlich. In dieser tiefen Krise suchte er nach Gott und einem neuen Sinn.
Mit über 35 Jahren – damals ein ungewöhnlich hohes Alter für eine solche Entscheidung – trat er in den Jesuitenorden ein. Doch auch dort schien ihm keine große Laufbahn offen: Keine Ausbildung, keine Studien, keine Ordination. Man setzte ihn an die Pforte des Kollegs auf Mallorca. Eine Aufgabe, die viele für nebensächlich halten würden. Alphonsus aber machte sie zu seinem geistlichen Zentrum.
Über 40 Jahre lang diente er dort. Er empfing Gäste, verteilte Essen an Arme, hörte zu, tröstete, betete mit Menschen, gab kleinen Schülern guten Rat. Viele kamen nur, um mit „dem Bruder an der Tür“ zu sprechen. Einer dieser Schüler war übrigens der spätere Missionar Petrus Claver – stark geprägt von Rodriguez’ Vorbild.
Rodriguez selbst sagte einmal: „Jedes Mal, wenn es an der Tür klingelte, stellte ich mir vor, es sei Christus selbst, der Einlass sucht.“ Was für ein Gedanke. Was für eine Haltung.
Sein Leben war kein stiller Rückzug, sondern ein stiller Dienst. Nicht laut, aber tief. Nicht öffentlich, aber wirksam. Er wurde über die Jahre zum geistlichen Herz des Hauses – nicht durch Reden, sondern durch Dasein. In der katholischen Kirche wurde er später heiliggesprochen. Für uns heute bleibt er ein lebendiges Vorbild für das, was Gott mit einem treuen Herzen tun kann – auch an der Pforte.
Was für ein Gedanke. Und was für eine Haltung. Eine, die wir gut kennen sollten – und oft vergessen. Denn wir leben in einer Welt, in der laut oft mehr zählt als treu. In der man gesehen werden will, statt einfach da zu sein. Und doch: Gott sieht. Immer.
Die Bibel macht das mehrfach deutlich. Schon Paulus schreibt an die Gemeinde in Kolossä:
„Alles, was ihr tut, das tut von Herzen als dem Herrn und nicht den Menschen.“
Kolosser 3,23
Jesus selbst nimmt diesen Gedanken auf – und stellt eine ganz eigene Rangordnung auf:
„Wer unter euch der Größte ist, der sei euer Diener.“
Matthäus 23,11
Das sind nicht nur schöne Worte für festliche Gottesdienste – es sind Maßstäbe für den Alltag. Für Eltern, die für ihre Kinder da sind, obwohl es niemand beklatscht. Für Menschen, die morgens Mülltonnen herausstellen oder Pflegebedürftige versorgen. Für alle, die in ihren Berufen oder Ehrenämtern etwas bewegen, ohne dass es auf Social Media erscheint.

Genau solche Menschen meinte Jesus. Genau solchen Dienst meint Paulus. Und genau darum geht es heute.
Wir in der evangelischen Kirche sprechen oft vom „Priestertum aller Gläubigen“. Jeder Mensch ist befähigt, Gottes Liebe weiterzugeben. Nicht erst nach einem Studium oder einer Ordination – sondern mitten im Leben. Im Wohnzimmer, im Wartezimmer, im Lehrerzimmer. Das ist unsere Stärke. Und doch dürfen wir anerkennen, dass uns auch katholische Persönlichkeiten inspirieren können – wie Alphonsus Rodriguez. Denn das Evangelium ist größer als jede Konfession.
Vielleicht ist das auch für dich ein Gedanke heute: Es muss nicht groß sein, damit es zählt. Es muss nicht perfekt sein, damit es Gott gefällt. Es muss nur echt sein. Und treu.

Vielleicht ist deine Aufgabe heute einfach, jemandem zuzuhören. Oder freundlich zu bleiben, wenn dir danach gar nicht ist. Vielleicht ist es ein Gebet für jemanden. Oder das Durchhalten in einer ungeliebten Arbeit. All das ist Glauben. Alltagstauglich. Echt. Und kostbar.
Und wenn du heute das Gefühl hast, zu wenig zu tun, zu klein zu sein oder nichts Bedeutendes beizutragen – dann erinnere dich an den Pförtner Rodriguez. Er hat nichts Spektakuläres getan. Aber Gott hat ihn gesehen. Und durch ihn gewirkt.
Du wirst heute Menschen begegnen. Aufgaben haben. Chancen bekommen. Nutze sie. Nicht für den Applaus – sondern aus Liebe.

Herr,
ich danke Dir für meinen Platz im Leben.
Auch wenn er klein erscheint – bei Dir zählt er.
Gib mir ein treues Herz für das, was Du mir anvertraust.
Lass mich Menschen heute mit Deiner Liebe begegnen.
Hilf mir, nicht auf Applaus zu warten – sondern auf Dein „gut gemacht“.
Amen!
