Liebe Leserinnen und Leser,
wenn wir an große politische Floskeln denken, kommen uns oft zwei bekannte Sätze in den Sinn: „Wir schaffen das“ und „Blühende Landschaften“. Diese beiden Aussagen, die jeweils von Bundeskanzler Helmut Kohl und Bundeskanzlerin Angela Merkel geprägt wurden, sind tief im kollektiven Gedächtnis Deutschlands verankert. Doch was steckt hinter diesen Worten? Sind sie nur leere Versprechungen, die belächelt werden dürfen, oder haben sie tatsächlich eine tiefere Bedeutung und Wirkung entfaltet? Lassen Sie uns diese Frage gemeinsam untersuchen.
Im Jahr 1990, als Deutschland kurz nach der Wiedervereinigung stand, versprach Helmut Kohl „blühende Landschaften“ in den neuen Bundesländern. Dieses Versprechen war mehr als nur eine optimistische Prognose. Es war eine Zusage, dass der Aufbau Ostdeutschlands zu einem Ort führen würde, an dem es sich zu leben und zu arbeiten lohnt. Um den Zusammenhang besser zu verstehen, hier das vollständige Zitat von Helmut Kohl:
„Durch eine gemeinsame Anstrengung wird es uns gelingen, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt, Brandenburg, Sachsen und Thüringen schon bald wieder in blühende Landschaften zu verwandeln, in denen es sich zu leben und zu arbeiten lohnt.“
Helmut Kohl, 1. Juli 1990, Fernsehansprache
Doch wie sieht es heute, mehr als 30 Jahre später, aus? Sind diese blühenden Landschaften Realität geworden?
Es ist unbestreitbar, dass der Aufbau in den neuen Bundesländern gewaltige Fortschritte gemacht hat. Städte wie Leipzig, Dresden und Erfurt haben sich zu modernen, wirtschaftlich starken Zentren entwickelt. Die Infrastruktur wurde massiv verbessert, und viele Regionen haben eine wirtschaftliche Dynamik erfahren, die sie in den 1990er Jahren nicht hatten. Die Arbeitslosenquote ist gesunken, und die Lebensqualität hat sich verbessert.
Aber es gibt auch Schattenseiten: Einige ländliche Regionen kämpfen weiterhin mit Abwanderung, Strukturproblemen und wirtschaftlichen Herausforderungen. Sind es also „blühende Landschaften“ geworden? Ja, in vielen Teilen durchaus. Aber es gibt auch noch unfruchtbare Felder, die Aufmerksamkeit brauchen.
Auch Angela Merkels berühmtes „Wir schaffen das“, ausgesprochen im Kontext der Flüchtlingskrise 2015, löste damals und auch heute noch kontroverse Diskussionen aus. Um den vollen Zusammenhang dieser Worte zu verstehen, hier das vollständige Zitat von Angela Merkel:
„Ich sage ganz einfach: Deutschland ist ein starkes Land. Das Motiv, mit dem wir an diese Dinge herangehen, muss sein: Wir haben so vieles geschafft – wir schaffen das! Wir schaffen das, und dort, wo uns etwas im Wege steht, muss es überwunden werden, muss daran gearbeitet werden. Der Bund wird alles in seiner Macht Stehende tun – zusammen mit den Ländern, zusammen mit den Kommunen -, um genau das durchzusetzen.“
Angela Merkel, 31. August 2015
Was wurde in diesen Worten alles verpackt? Hoffnung, Verantwortung, aber auch die schiere Herausforderung, die mit der Integration Hunderttausender Flüchtlinge verbunden war. Rückblickend lässt sich sagen, dass Deutschland diese Herausforderung tatsächlich in vielerlei Hinsicht gemeistert hat. Integration ist ein langer Prozess, der nicht ohne Probleme verläuft, aber es wurden bemerkenswerte Fortschritte gemacht: Inzwischen sind viele der geflüchteten Menschen in den Arbeitsmarkt integriert, lernen die deutsche Sprache und tragen aktiv zum gesellschaftlichen Leben bei. Aber auch hier gibt es Hindernisse und Rückschläge. Die Integration ist kein abgeschlossenes Projekt, sondern ein fortlaufender Prozess, der Anstrengung von allen Seiten erfordert.
In der Bibel finden wir ähnliche Situationen, in denen große Herausforderungen durch Glauben und gemeinsames Handeln gemeistert wurden. Ein prägnantes Beispiel ist der Bau der Stadtmauer Jerusalems unter der Führung Nehemias. Als Nehemia von der trostlosen Situation der Stadtmauer Jerusalems erfuhr, fasste er Mut und sagte:
„Kommt, lasst uns die Mauern Jerusalems wieder aufbauen, dass wir nicht länger ein Gespött seien.“
Nehemia 2,17
Die Arbeit war hart, es gab Widerstand von außen und Entmutigung von innen. Doch durch ihren Glauben und die Zusammenarbeit schafften sie es, die Mauer wieder aufzubauen.
Ein anderes Beispiel ist das Gleichnis vom Senfkorn, in dem Jesus sagt:
„Das Reich Gottes gleicht einem Senfkorn, das ein Mensch nahm und auf seinen Acker säte. Es ist das kleinste unter allen Samenkörnern; wenn es aber gewachsen ist, so ist es größer als alle Kräuter und wird ein Baum, sodass die Vögel unter dem Himmel kommen und wohnen in seinen Zweigen.“
Matthäus 13,31-32
Auch hier sehen wir, dass aus kleinen Anfängen Großes entstehen kann, wenn wir Vertrauen haben und uns bemühen.
Die beiden politischen Floskeln, „Wir schaffen das“ und „Blühende Landschaften“, mögen in der Öffentlichkeit oft belächelt werden, aber sie haben einen tieferen Kern, der auch biblisch verankert ist: die Überzeugung, dass mit gemeinsamem Einsatz und Glauben große Herausforderungen bewältigt werden können. Ja, es gibt Rückschläge, ja, nicht alles läuft reibungslos. Aber diese Sätze erinnern uns daran, dass wir nicht alleine sind – weder in unserer Gesellschaft noch in unserem Glauben. Sie erinnern uns daran, dass wir in der Gemeinschaft, im Glauben an Gott und an das Gute im Menschen, große Dinge erreichen können.
Lasst uns daher nicht nur auf das schauen, was nicht funktioniert hat, sondern auf das, was gelungen ist und weiter gelingt. Lasst uns unsere Anstrengungen auf das richten, was noch getan werden muss, und darauf vertrauen, dass auch die Herausforderungen, die vor uns liegen, gemeistert werden können.
Herr, gib uns die Kraft und den Mut, den Herausforderungen des Lebens mit Zuversicht und Glauben zu begegnen. Hilf uns, nicht nur an das zu denken, was schwer ist, sondern auch an das, was wir gemeinsam erreichen können. Lass uns in deinem Geist zusammenarbeiten und unser Land und unsere Welt zu einem besseren Ort machen.
Amen.