Liebe Leserinnen und Hörerinnen, liebe Leser und Hörer,
kennt ihr das Gefühl, wenn einem plötzlich alles zu viel wird? Wenn sich die Probleme wie eine unüberwindbare Mauer vor einem auftürmen? Wenn man denkt: „Jetzt ist wirklich Schluss – ich kann nicht mehr!“ Genau in so einem Moment befinden wir uns heute. Aber nicht in unserem eigenen Leben, sondern im Leben eines Mannes, der uns im Alten Testament begegnet. Die Geschichte ist nur kurz, sie ist selten Thema einer Predigt – aber sie steckt voller Kraft. Es geht um Elisa, einen Propheten, und seinen Diener. Und um eine Stadt, die von Feinden umzingelt ist.
„Und der Diener des Mannes Gottes stand früh auf und trat heraus. Und siehe, ein Heer umringte die Stadt mit Rossen und Wagen. Da sprach sein Diener zu ihm: Ach, mein Herr, was sollen wir tun?“
2. Könige 6,15

Ein Albtraum. Der Diener tritt vor die Tür – und da stehen sie schon. Die Feinde. Schwer bewaffnet, mit Pferden und Streitwagen. Kein Entkommen. Keine Chance. Nur Angst.
Vielleicht kennt ihr diesen Moment. Im Kleinen oder im Großen. Wenn die Diagnose kommt. Wenn die Kündigung auf dem Tisch liegt. Wenn jemand sich von einem abwendet, von dem man dachte: „Der bleibt.“
Und was sagt Elisa? Keine Panik. Keine Flucht. Kein blinder Aktionismus. Sondern:
„Er aber sprach: Fürchte dich nicht! Denn derer sind mehr, die bei uns sind, als derer, die bei ihnen sind.“
2. Könige 6,16
Moment mal. Wie bitte? Mehr auf unserer Seite? Es sind doch nur zwei Männer – gegen ein ganzes Heer! Elisas Satz wirkt erst mal komplett daneben. Außer man sieht, was Elisa sieht. Und deshalb bittet er Gott:
„Und Elisa betete und sprach: HERR, öffne ihm die Augen, dass er sehe! Und der HERR öffnete dem Diener die Augen, und er sah, und siehe, da war der Berg voller feuriger Rosse und Wagen um Elisa her.“
2. Könige 6,17
Was für ein Moment. Der Diener sieht plötzlich nicht nur die Bedrohung, sondern auch die Hilfe. Gottes Hilfe. Ein Heer aus Licht und Feuer, göttlicher Schutz, da – die ganze Zeit schon. Er hat es nur nicht gesehen. Und ehrlich gesagt: Wir auch nicht. Wie oft laufen wir durch unser Leben, blind für das, was Gott längst tut. Wir sehen die Rechnungen, aber nicht die offene Tür. Wir sehen die Enttäuschung, aber nicht die neue Hoffnung. Wir sehen den Schmerz, aber nicht das Licht, das schon am Horizont zu sehen ist.
Diese Geschichte hat kein Wunder in dem Sinn, dass plötzlich die Feinde verschwinden. Aber sie zeigt, dass sich unsere Perspektive ändern kann. Dass Gott eingreift – nicht immer sichtbar, aber immer wirksam. Dass unsere Angst sich in Vertrauen verwandeln kann, wenn wir erkennen, dass wir nicht allein sind.
Vielleicht ist das gerade genau das, was du brauchst. Einen Perspektivwechsel. Einen Moment, in dem du Gott bittest: „Öffne mir die Augen, damit ich sehe, was du tust.“ Nicht die Realität verleugnen, sondern Gottes größere Wirklichkeit entdecken. Denn die feurigen Wagen – sie stehen nicht nur damals um Elisa. Sie stehen auch heute um dich. Auch wenn du sie nicht sofort siehst.
Eine Geschichte, die mich sehr berührt hat, kommt von einer Frau aus der Ukraine. Sie war mit ihren zwei Kindern auf der Flucht. Nächte im Keller. Sirenen, Angst, Hunger. Und dann hat sie erzählt, dass sie in all dem Chaos nachts plötzlich so einen tiefen Frieden gespürt hat, dass sie sich wunderte: „Wieso bin ich nicht panisch?“ Später, als sie in Sicherheit war, hat sie gesagt: „Ich glaube, da war jemand mit mir – obwohl ich niemanden sehen konnte.“ Genau das ist dieser Moment aus der Bibel. Gott ist da. Auch wenn’s dunkel ist. Auch wenn die Angst ruft. Er ist da.

Vielleicht traust du dich heute, genau dieses Gebet zu sprechen. Es kostet nichts. Und es kann alles verändern.
Herr, öffne mir die Augen für deine Wirklichkeit. Lass mich sehen, dass ich nicht allein bin. Schenk mir Vertrauen, wo ich Angst habe. Und Ruhe, wo ich keinen Ausweg sehe.
Amen!