Liebe Hörerinnen und Hörer, liebe Leserinnen und Leser,
vielleicht kennst du solche Situationen: Du kommst irgendwo neu an, man weiß nicht, wie du tickst, aber man gibt dir Raum. Du darfst etwas sagen, du darfst erzählen, was dich bewegt. Was für ein Geschenk! Genau so beginnt eine starke Szene in der Apostelgeschichte, von der wir heute sprechen wollen. Es geht um Paulus in Antiochia – aber eigentlich geht es um dich und mich.
Paulus ist unterwegs, er ist gesandt – nicht einfach aus Abenteuerlust, sondern im Auftrag. Im Auftrag dessen, der Menschen liebt. Im Auftrag des auferstandenen Jesus. Und wie er empfangen wird, ist erstaunlich offen:
„Sie aber gingen von Perge weiter und kamen nach Antiochia in Pisidien und gingen am Sabbat in die Synagoge und setzten sich.“
Apostelgeschichte 13,14
Paulus platzt nicht rein. Er setzt sich erst einmal hin. Er hört zu. Er ist präsent, ohne sich vorzudrängeln. Und das wird gesehen – denn die Menschen laden ihn tatsächlich ein, etwas zu sagen:
„Nach der Lesung des Gesetzes und der Propheten schickten die Synagogenvorsteher zu ihnen und ließen ihnen sagen: Ihr Männer und Brüder, wenn ihr ein Wort der Ermahnung an das Volk habt, so redet!“
Apostelgeschichte 13,15
Das ist der Moment. Paulus wird nicht nur geduldet – er wird eingeladen. Und was macht er? Er steht auf. Und beginnt zu sprechen. Aber er tut das mit Respekt. Kein theologisches Besserwissertum. Kein Dominieren. Sondern er stellt sich auf ihre Geschichte ein – er beginnt mit dem, was seine Zuhörer kennen:
„Da stand Paulus auf und winkte mit der Hand und sprach: Ihr Israeliten und ihr Gottesfürchtigen, hört!“
Apostelgeschichte 13,16

Wie oft wünschen wir uns, Menschen würden uns zuhören. Aber hören wir auch zu? Paulus hört zu – und dann verkündigt er. Mit Mut. Mit Überzeugung. Mit echter Verbindung zu den Menschen vor ihm. Und das ist ein starker Impuls für heute.
Was bedeutet es, heute gesandt zu sein – im Geist? Nicht irgendwo weit weg, sondern hier: in der Schule, im Büro, auf dem Bau, im Supermarkt, beim Sport oder im Familienchat? Es bedeutet: Da, wo du stehst, bist du ein Mensch mit einer Botschaft. Nicht aufdringlich. Aber echt. Ehrlich. Und bereit, auch unbequeme Fragen zu hören – und mit Liebe zu antworten.
Ich erinnere mich an eine Geschichte, die mir ein Religionslehrer einmal erzählt hat. Er hatte einen Schüler, der in jeder Stunde provokante Fragen stellte: „Warum lässt Gott das Leid zu?“ oder „Warum sollten wir an einen unsichtbaren Gott glauben?“ Der Lehrer nahm ihn ernst, diskutierte mit ihm – und irgendwann, Wochen später, kam dieser Schüler nach dem Unterricht zu ihm und sagte: „Sie haben nicht alles beantwortet. Aber ich merke, dass Sie glauben, was Sie sagen.“ Genau das meinte Paulus in Antiochia: Rede so, dass man merkt, du lebst es. Und höre so zu, dass der andere merkt: Du siehst mich.

Vielleicht braucht unsere Gesellschaft heute wieder solche „Synagogenvorsteher“ – Menschen, die sagen: „Wenn du etwas zu sagen hast, dann sprich.“ Und vielleicht braucht es auch Menschen wie dich – die sich trauen, aufzustehen und zu sagen, was ihr Herz erfüllt. Und zwar nicht mit erhobenem Zeigefinger, sondern mit einem offenen Ohr und einem festen Herzen.
Wir können das sogar üben. In deiner Gemeinde, in einer Jugendgruppe, beim Hauskreis oder im Konfirmandenunterricht: Stellt euch mal vor, ihr seid Zuhörer aus Antiochia. Was würdet ihr jemanden wie Paulus heute fragen? Und wer von euch traut sich, wie Paulus aufzustehen und zu antworten? Nicht, weil ihr alle Antworten hättet – sondern weil ihr glaubt, dass Jesus heute noch etwas zu sagen hat.
Gesandt zu sein heißt nicht, ein perfekt geschulter Redner zu sein. Es heißt: bereit sein. Bereit, das eigene Herz sprechen zu lassen. Bereit, Fragen zu hören. Bereit, aufzustehen, wenn du eingeladen wirst.
Guter Gott, wir danken dir für Menschen wie Paulus, die nicht geschwiegen haben, wenn sie reden sollten. Schenk uns offene Ohren, ein hörendes Herz und den Mut, aufzustehen und deine Liebe weiterzugeben – dort, wo wir heute sind. In Schule, Beruf, Familie und Freizeit. Lass uns Menschen sein, die zuhören und reden – im Geist, mit Mut und mit Liebe.
Amen!