Liebe Leserinnen und Leser, liebe Hörerinnen und Hörer,
manchmal braucht es keine großen Erklärungen. Ein Bild reicht, um etwas Großes zu sagen. Jesus war ein Meister darin. Heute lädt er uns mit einem einfachen, aber starken Bild ein: dem der Rebe und der Zweige. Es ist mehr als ein Vergleich – es ist eine Liebeserklärung.
„Wie mich der Vater liebt, so liebe ich euch. Bleibt in meiner Liebe!“
Johannes 15,9
Diese Worte Jesu sind ein Herzschlag. Keine Forderung, sondern eine Einladung. „Bleibt in meiner Liebe.“ Es ist kein Leistungssatz. Es ist ein Beziehungssatz. Wie ein Vater oder eine Mutter zum Kind sagt: „Bleib bei mir.“ Es ist das Angebot eines bleibenden Zuhauses, nicht einer einmaligen Begegnung.
„Wenn ihr meine Gebote haltet, bleibt ihr in meiner Liebe, so wie ich meines Vaters Gebote halte und bleibe in seiner Liebe.“
Johannes 15,10
Bleiben ist nicht nur da sein. Es ist: verbunden bleiben. Wie ein Zweig an der Rebe. Jesus sagt im Vers davor (Johannes 15,5): „Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben.“ Und das Bild ist genial: Kein Zweig muss sich anstrengen, Frucht zu tragen. Er muss nur verbunden bleiben. Die Kraft kommt aus der Rebe. Die Liebe fließt. Alles, was wir bringen, wächst aus dieser Verbindung.
„Das sage ich euch, damit meine Freude in euch bleibe und eure Freude vollkommen werde.“
Johannes 15,11
Hier kommt ein erstaunlicher Gedanke: Die Verbindung mit Jesus bringt Freude – nicht nur ein bisschen, sondern „vollkommene Freude“. Und nicht, weil alles leicht ist. Sondern weil alles Sinn bekommt. Weil wir nicht allein sind. Weil wir getragen sind.

Ich erinnere mich an eine ältere Frau in meiner alten Gemeinde. Sie war schwer krank, ihre Kräfte ließen nach. Und doch sagte sie eines Tages beim Besuch: „Ich spüre, dass Jesus da ist. Auch wenn ich kaum noch etwas tun kann – ich bin verbunden mit ihm. Und das trägt mich.“ Ihr Gesicht strahlte dabei eine Ruhe aus, die tiefer war als Worte. Sie war keine Superheldin des Glaubens. Aber sie war: angebunden. An die Liebe.
„Das ist mein Gebot, dass ihr einander liebt, wie ich euch liebe.“
Johannes 15,12

Es ist kein zufälliger Nebensatz. Wer in der Liebe bleibt, wird selbst zur Quelle von Liebe. Denn was in uns hineinfließt, fließt weiter. Wir tragen Frucht – in unserer Geduld, in unserem Zuhören, in unserer Freundlichkeit. In der Art, wie wir einander Raum geben. Wie wir nicht weglaufen, wenn’s schwierig wird. Wie wir einander halten.
„Größere Liebe hat niemand als die, dass er sein Leben lässt für seine Freunde.“
Johannes 15,13
Jesus redet hier nicht nur von schönen Gefühlen. Er redet von echter Liebe. Von Liebe, die trägt, aushält, notfalls sogar alles gibt. Und er lebt das selbst. Am Kreuz. Aus Liebe. Für seine Freunde. Und dann kommt dieses unfassbare Wort:
„Ihr seid meine Freunde, wenn ihr tut, was ich euch gebiete.“
Johannes 15,14
Er nennt uns Freunde. Nicht Diener, nicht Angestellte, nicht Zuschauer. Freunde. Und diese Freundschaft hat Kraft. Sie verändert uns – nicht durch Druck, sondern durch Nähe. Je mehr wir mit ihm verbunden sind, desto mehr wachsen wir hinein in seine Sicht auf die Welt. Auf uns selbst. Auf die anderen.
„Nicht ihr habt mich erwählt, sondern ich habe euch erwählt und bestimmt, dass ihr hingeht und Frucht bringt und eure Frucht bleibt.“
Johannes 15,16
Das ist ein Satz, der befreit: Wir müssen uns nicht erst beweisen. Wir sind schon erwählt. Schon geliebt. Schon gemeint. Und ja, wir dürfen uns fragen: Wo spüre ich heute diese Liebe? Wo erlebe ich, dass Jesus mich hält – mitten im Alltag, in meinem Stress, meiner Einsamkeit, meiner Freude, meiner Sehnsucht?

Vielleicht in einem Wort, das mich aufrichtet. Vielleicht in einem Menschen, der mich ernst nimmt. Vielleicht in der Stille. Vielleicht auch im Chaos – aber mit dem Wissen: Ich bin nicht allein.
Und vielleicht dürfen wir uns auch fragen: Wem kann ich heute ein kleines Stück dieser Liebe weitergeben?
„Das gebiete ich euch, dass ihr einander liebt.“
Johannes 15,17
So einfach. Und so herausfordernd. Aber nicht aus eigener Kraft. Sondern, weil wir verbunden sind. Wie Zweige an der Rebe. Aus seiner Liebe heraus.
Jesus Christus, danke, dass du uns einlädst, in deiner Liebe zu bleiben. Danke, dass du uns nicht allein lässt, sondern uns hältst – wie die Rebe ihre Zweige hält. Lehre uns, dir zu vertrauen. Lass uns wachsen – im Glauben, in der Hoffnung, in der Liebe. Zeig uns heute, wo du da bist. Und wo wir für andere da sein können. Lass uns Frucht bringen, die bleibt.
Amen!