Liebe Hörerinnen und Hörer, liebe Leserinnen und Leser,
in diesen Tagen kocht die Debatte um die Zukunft kirchlicher Feiertage wieder hoch. Einige Stimmen aus der Wirtschaft fordern, diese freien Tage abzuschaffen – zugunsten der Produktivität, zugunsten der Wirtschaft. Mehr arbeiten, weniger innehalten, lautet die Devise. Aber was sagt eigentlich der Glaube dazu? Und was sagen wir als Gesellschaft?
Feiertage sind keine Zufallsprodukte. Sie sind Fixpunkte im Jahr, die uns daran erinnern, dass es mehr gibt als Termine, Umsätze und Effizienz. Sie unterbrechen unseren Alltag, genau wie die Ampel auf Rot – nicht um uns zu ärgern, sondern um uns zu schützen.
Jesus selbst hatte ein klares Verhältnis zu solchen Unterbrechungen. Er heilte am Sabbat, ja – aber nie, um den Feiertag zu entwerten. Sondern um ihn mit Leben zu füllen.
„Der Sabbat ist um des Menschen willen gemacht und nicht der Mensch um des Sabbats willen.“
Markus 2,27
Jesus sagt damit: Feiertage sind kein Selbstzweck, keine religiösen Pflichtveranstaltungen. Sie sollen uns guttun. Uns Menschen – nicht Gott. Der braucht keine Feiertage. Wir schon.
Vielleicht liegt genau hier das Problem: Wir haben verlernt, den Feiertag für uns zu nutzen. Nicht als Tag für den Einkauf, nicht als Aufholjagd im Homeoffice – sondern als bewusste Pause. Als Zeit für Begegnung, für Gemeinschaft, für Fragen, für Gebet. Oder einfach für Stille.

Der Feiertag schützt nicht nur unseren Glauben. Er schützt auch unsere Menschlichkeit. Das wussten schon die Menschen im Alten Testament, denen das Sabbatgebot in die Zehn Gebote eingeschrieben wurde:
„Gedenke des Sabbattages, dass du ihn heiligst. Sechs Tage sollst du arbeiten und alle deine Werke tun. Aber am siebenten Tage ist der Sabbat des HERRN, deines Gottes.“
2. Mose 20,8-10
Der Mensch braucht Rhythmen. Kein Leben funktioniert auf Dauer im Dauerbetrieb. Selbst unsere Herzen arbeiten im Takt – mit Pausen zwischen den Schlägen.
Der Philosoph Josef Pieper schrieb einmal in seinem Werk „Muße und Kult“: „Ein arbeitsloser Feiertag – das ist gerade der Moment, wo wir zum Menschen werden können.“ Diese tiefe Wahrheit scheint heute fast provokant. Aber sie bleibt gültig.
Ich erinnere mich an eine Geschichte aus Finnland, die ich einmal in einer Zeitschrift las: Dort wurde überlegt, Weihnachten zu verkürzen. Nicht der ganze 25. Dezember, sondern nur noch der Vormittag sollte arbeitsfrei bleiben. Die Reaktion der Menschen war deutlich. Ein Vater sagte: „Wenn meine Kinder mich an Weihnachten im Büro besuchen müssen, dann will ich nicht mehr Teil dieser Gesellschaft sein.“ – Deutlich? Ja. Aber irgendwie auch traurig, dass man es sagen muss.
Wir brauchen Inseln der Ruhe. Inseln des Nachdenkens. Inseln des Glaubens. Und wenn wir diese Inseln zerstören, weil wir glauben, ein bisschen mehr Bruttosozialprodukt sei wichtiger als unsere Seelen, dann sind wir auf dem Holzweg.
In Psalm 46 steht:
„Seid stille und erkennt, dass ich Gott bin.“
Psalm 46,11
Diese Stille kann man nicht herbeizwingen. Sie wächst nicht zwischen zwei Meetings. Sie braucht Raum. Zeit. Schutz. Genau das bieten uns die Feiertage. Und genau deshalb sind sie keine nostalgischen Überbleibsel vergangener Zeiten, sondern überlebensnotwendig für unsere Gegenwart.

Wer heute überlegt, Feiertage zu streichen, sollte sich fragen, was wir wirklich gewinnen – und was wir verlieren.
Vielleicht ist es Zeit, die Frage umzudrehen: Nicht „Können wir uns Feiertage noch leisten?“ – sondern: „Können wir es uns leisten, sie zu verlieren?“
Ein Tag, an dem nichts produziert wird, ist nicht verloren. Vielleicht ist es sogar der Tag, an dem das Wichtigste entsteht: Vertrauen. Nähe. Glaube. Frieden. Hoffnung.
Gott, lehre uns, unsere Zeit zu achten, dass wir klug werden. Lass uns innehalten, wo andere rennen. Lass uns lauschen, wo andere lärmen. Lass uns danken, wo andere fordern. Und gib uns die Kraft, für das einzustehen, was uns schützt – auch wenn es nicht produktiv scheint.
Amen!