Liebe Hörerinnen und Hörer, liebe Leserinnen und Leser,
heute ist der 15. Juni – ein Datum, das nicht einfach so vorbeigehen sollte. Denn an diesem Tag erinnern die Vereinten Nationen seit 2006 an ein Thema, das oft verschwiegen wird: die Misshandlung älterer Menschen. Dieser Tag ruft uns alle auf, genauer hinzuschauen, wo Würde verloren geht, wo Menschen ignoriert, verletzt oder sogar vergessen werden. Es ist der „Welttag gegen die Misshandlung älterer Menschen“ – und es ist mehr als nur ein Aktionstag. Es ist ein Aufruf zum Handeln.
Die Vereinten Nationen haben diesen Tag eingeführt, um gegen Altersdiskriminierung, Vernachlässigung und Gewalt anzugehen. (Quelle: UN-Website)
Die Bibel hat eine klare Haltung dazu, wie wir mit älteren Menschen umgehen sollen – nicht aus Pflicht, sondern aus Ehrfurcht vor dem Leben und vor Gott.
„Vor einem grauen Haupt sollst du aufstehen und die Alten ehren; fürchte dich vor deinem Gott. Ich bin der HERR.“
3. Mose 19,32
Respekt beginnt nicht mit einer Entscheidung im Kopf, sondern mit einer Haltung im Herzen. „Ehre, wem Ehre gebührt“ – das ist kein Spruch für staatliche Auszeichnungen, sondern eine Haltung für den Alltag.
Es gibt viele Gründe, warum ältere Menschen in unserer Gesellschaft an den Rand gedrängt werden. Sie gelten als „nicht mehr produktiv“, als „Last für das System“, als „altmodisch“. Was für eine Arroganz. Was für ein tragischer Irrtum.
Jesus selbst zeigt eine Haltung, die dem genau entgegengesetzt ist. Wenn er mit Menschen umgeht, schaut er nicht auf ihren gesellschaftlichen Wert, sondern auf ihr Herz. Er spricht mit denen, die sonst übersehen werden. Und wenn man genau hinschaut, gibt es bei ihm keine Altersgrenzen für Würde.
„Was ihr getan habt einem von diesen meinen geringsten Brüdern, das habt ihr mir getan.“
Matthäus 25,40
Das betrifft auch den alten Herrn im Pflegeheim, der sich kaum noch verständigen kann. Es betrifft die Dame mit Rollator, die an der Supermarktkasse angestöhnt wird, weil sie „zu langsam“ ist. Es betrifft auch die Großmutter, die sich einsam fühlt, weil alle zu beschäftigt sind, um mal anzurufen.
Ich habe einmal die Geschichte eines Pflegers gelesen, der jeden Sonntag auf eigene Initiative einen alten Mann im Heim zum See fuhr. Der Mann war demenzkrank und sprach kaum noch. Er lächelte manchmal. Der Pfleger wusste: Der alte Mann erkennt mich nicht mehr. Aber ich erkenne ihn. Ich erkenne seinen Wert. Seinen Namen. Seine Geschichte. Das genügt.
Was dieser Pfleger getan hat, war keine Heldentat. Es war einfach Liebe. Und Liebe fragt nicht: „Was bringt mir das?“ Sie sagt: „Ich sehe dich.“
Wenn wir auf diesen 15. Juni schauen, dann sollten wir nicht nur informieren, sondern hinterfragen: Wie sieht es in meinem Umfeld aus? Habe ich Menschen, die alt sind und einsam? Gibt es jemanden, der Hilfe braucht? Oder vielleicht einfach nur ein bisschen Zeit?

Paulus schreibt an Timotheus über den Umgang mit älteren Menschen – und wie sanft und familiär er sein soll:
„Einen älteren Mann fahre nicht hart an, sondern ermahne ihn wie einen Vater, jüngere wie Brüder; ältere Frauen wie Mütter, jüngere wie Schwestern – in aller Keuschheit.“
1. Timotheus 5,1-2

Das ist kein Text aus einer längst vergangenen Zeit. Das ist ein Auftrag für heute. Für uns. Für dich. Für mich.
Würde kennt kein Alter. Und Liebe auch nicht.
Lasst uns nicht nur über Würde reden, sondern sie leben – in unseren Worten, in unseren Blicken, in unseren Handlungen. Denn dort, wo ein Mensch in Würde alt werden kann, wird Gottes Gegenwart spürbar.
Gott, du Quelle des Lebens, du kennst alle unsere Wege – von der Geburt bis ins hohe Alter.
Hilf uns, nicht wegzuschauen, wo Menschen alt, schwach oder einsam sind.
Schenk uns offene Augen, wache Herzen und den Mut, zu handeln.
Dass niemand vergessen wird. Dass niemand unwichtig ist. Dass deine Liebe durch uns sichtbar wird.
Amen!