710 – Befreit, um frei zu machen

710 – Befreit, um frei zu machen

Liebe Hörerinnen und Hörer, liebe Leserinnen und Leser,

es gibt Tage, an denen die Geschichte ruft. Heute, am 23. August, ist einer dieser Tage. Die UNESCO erinnert an den Beginn eines Aufstandes auf der Karibikinsel Saint-Domingue, dem heutigen Haiti, im Jahr 1791. Er wurde zum Symbol für den Widerstand gegen das Unrecht des Sklavenhandels. Heute ist der Internationale Tag zur Erinnerung an den Sklavenhandel und an seine Abschaffung.

Millionen Menschen wurden damals brutal verschleppt, verkauft, ausgebeutet. Es war ein System, das Leben und Würde mit Füßen trat – und leider: Es war auch ein System, das von sogenannten Christen geduldet, ja manchmal sogar gerechtfertigt wurde. Umso lauter muss unsere Stimme heute sein. Umso klarer unser Bekenntnis: Nie wieder.

Die Bibel kennt die Erfahrung der Sklaverei. Sie erzählt, wie ein ganzes Volk – Israel – in Ägypten unterdrückt wurde. Und sie erzählt, wie Gott eingreift:

„Ich habe das Elend meines Volks in Ägypten gesehen und ihr Geschrei gehört über ihre Bedränger; ich habe ihre Leiden erkannt.“
2. Mose 3,7

Moses teilt das Meer, Sora, prompted by Michael Voß
Moses teilt das Meer, Sora, prompted by Michael Voß

Gott sieht. Gott hört. Gott erkennt. Es sind keine leeren Worte – Gott handelt. Er ruft Mose. Und dann beginnt ein Weg in die Freiheit. Ein Weg mit Umwegen, Zweifeln, Rückschlägen. Aber: ein Weg, der zeigt, dass Versklavung nie das letzte Wort hat.

Gott hat ein Herz für die, die unterdrückt werden. Er steht auf der Seite der Schwachen. Und er ruft Menschen dazu, mit ihm an dieser Seite zu stehen.

„Der Geist Gottes des HERRN ist auf mir, weil der HERR mich gesalbt hat. Er hat mich gesandt, den Elenden gute Botschaft zu bringen, die zerbrochenen Herzen zu verbinden, den Gefangenen Befreiung zu verkünden.“
Jesaja 61,1

Diese Worte hat Jesus später im Tempel vorgelesen – und auf sich selbst bezogen. Der Gott Israels ist ein Gott, der befreit. Und Jesus? Er macht diesen Auftrag zur Mitte seiner Botschaft.

Deshalb ist es auch unsere Aufgabe, heute für Freiheit, Gerechtigkeit und Menschenwürde einzustehen. Nicht nur im Rückblick auf den transatlantischen Sklavenhandel – sondern auch in der Gegenwart. Denn moderne Sklaverei existiert weiterhin: in Zwangsprostitution, Kinderarbeit, Ausbeutung auf Baustellen, in Haushalten, auf Plantagen.

Jesus sagt:

„Was ihr getan habt einem von diesen meinen geringsten Brüdern, das habt ihr mir getan.“
Matthäus 25,40

Das ist unbequem. Aber es ist die Wahrheit. Glaube ohne Gerechtigkeit ist leer. Wer sich Christ nennt, darf nicht wegschauen, wenn Menschen geknechtet werden – damals nicht, heute nicht.

Die Geschichte Haitis erinnert auch an Hoffnung: Der Aufstand von 1791 führte zur ersten Republik schwarzer Menschen, zur ersten erfolgreichen Revolution von Sklaven. Ihre Nachkommen kämpfen bis heute um Anerkennung, Gerechtigkeit, Gleichheit. Es ist nicht vorbei.

Doch: Auch Versöhnung ist möglich. Und sie ist nötig. Nicht als billige Entschuldung. Sondern als ernstgemeinter Prozess: sich der eigenen Geschichte stellen, zuhören, umkehren, neu handeln. Das gilt für ganze Völker – und für jeden Einzelnen.

„Zur Freiheit hat uns Christus befreit. So steht nun fest und lasst euch nicht wieder das Joch der Knechtschaft auflegen!“
Galater 5,1

Freiheit, Sora, prompted by Michael Voß
Freiheit, Sora, prompted by Michael Voß

Christlicher Glaube heißt: Du bist frei – und du sollst helfen, andere in Freiheit zu führen. Aus Armut. Aus Unterdrückung. Aus Angst. Aus allem, was Menschen klein hält.


Herr, unser Gott, wir gedenken heute derer, die im Schatten gelebt haben – versklavt, entrechtet, vergessen.

Und wir danken dir für alle, die für Freiheit gekämpft haben.

Stärke uns, dass wir uns nicht zufriedengeben mit bequemer Gerechtigkeit.

Lehre uns zu hören, wo andere schreien. Und zu handeln, wo andere schweigen.

Amen!


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