Liebe Leserinnen und Leser, liebe Hörerinnen und Hörer,
heute, am 9. November 2024, blicken wir zurück auf einen besonderen Moment der Geschichte: Vor 35 Jahren fiel die Berliner Mauer. Ohne Gewalt, aber mit unermesslicher Kraft wurde eine Diktatur überwunden. Menschen in der DDR und in der Bundesrepublik Deutschland erlebten, was es bedeutet, wenn Freiheit siegt und Trennung endet. Es war ein Moment, in dem Hoffnung und Mut stärker waren als Angst und Unterdrückung. Doch dieser Tag ist nicht nur ein Grund zur Freude, sondern auch ein Anlass zur Mahnung: Demokratie und Freiheit sind keine Selbstverständlichkeiten. Sie müssen bewahrt und verteidigt werden, immer wieder.
In der Bibel lesen wir von der Freiheit, die Gott uns schenkt, und von der Verantwortung, die daraus erwächst. Der Apostel Paulus schreibt:
„Zur Freiheit hat uns Christus befreit. So steht nun fest und lasst euch nicht wieder unter ein Joch der Knechtschaft bringen!“
Galater 5,1 erinnert uns daran, dass wahre Freiheit nicht bedeutet, alles zu tun, was uns gerade einfällt. Freiheit bedeutet, in der Liebe und im Vertrauen auf Gott zu leben – und uns zugleich für die Freiheit anderer einzusetzen.
Wenn wir heute auf die Geschehnisse von 1989 zurückblicken, sehen wir, wie viel Menschen ertragen haben, um für diese Freiheit einzutreten. Doch wir dürfen auch nicht vergessen, dass in unserer Zeit neue Gefahren für Demokratie und Menschenrechte lauern. Parteien und Gruppen, die Hass säen, finden Anhänger. Manche glorifizieren sogar die DDR, obwohl sie ein Unrechtsstaat war, und verherrlichen Systeme, die Menschen in Klassen einteilen.
Doch Jesus hat uns ein anderes Bild gezeigt. Im Evangelium nach Lukas heißt es:
„Der Geist des Herrn ist auf mir, weil er mich gesalbt hat, zu verkündigen das Evangelium den Armen; er hat mich gesandt, zu predigen den Gefangenen, dass sie frei sein sollen, und den Blinden, dass sie sehend werden, und die Zerschlagenen zu entlassen in die Freiheit.“
Lukas 4,18 zeigt, dass Gottes Reich nicht von Unterdrückung lebt, sondern von Gerechtigkeit, Barmherzigkeit und Befreiung.
Als Christinnen und Christen haben wir die Aufgabe, gegen Unrecht aufzustehen. Wir dürfen nicht schweigen, wenn Menschen ausgegrenzt oder unterdrückt werden. Unser Glaube ruft uns dazu auf, Brücken zu bauen, wo Mauern errichtet werden, und den Wert jedes Einzelnen zu verteidigen, unabhängig von Herkunft, Überzeugung oder sozialem Status.
Vielleicht ist es gerade heute an der Zeit, zu fragen: Wo können wir aktiv werden? Wie können wir uns dafür einsetzen, dass die Freiheit bewahrt bleibt? Demokratie bedeutet, dass wir die Möglichkeit haben, mitzugestalten – auch im Kleinen, in unserer Familie, unserer Gemeinde oder unserer Nachbarschaft. Und Demokratie ist immer ein Spiegel unserer Verantwortung füreinander.
Lasst uns also an diesem Tag der Freude auch innehalten und beten, dass wir wachsam bleiben, für die Freiheit eintreten und daran glauben, dass Gottes Liebe jede Form von Hass überwinden kann.
Guter Gott, du hast uns zur Freiheit berufen. Schenke uns den Mut, diese Freiheit zu schützen, und gib uns die Weisheit, den Weg der Liebe und Gerechtigkeit zu gehen. Bewahre unsere Welt vor den Versuchungen von Hass und Unterdrückung. Lass uns als Botschafter deiner Gnade wirken.
Amen!