557 – Die vielen Gesichter der Liebe – eine Reise durch Sprachen und Herzen

557 – Die vielen Gesichter der Liebe – eine Reise durch Sprachen und Herzen

Liebe Leserinnen und Leser, liebe Hörerinnen und Hörer,

es gibt wohl kein Wort, das so groß, so wunderschön, so herausfordernd – und gleichzeitig so oft missverstanden wird wie dieses eine: Liebe. Manche sagen, Liebe sei ein Gefühl. Andere nennen sie eine Entscheidung. Wieder andere erleben sie als göttliches Geschenk. Und die Wahrheit ist: Sie ist all das. Und noch mehr.

Wir machen heute eine ungewöhnliche Reise – durch Sprachen, Kulturen, Zeiten. Und wir nehmen die Bibel mit ins Gepäck. Denn Liebe lässt sich nicht in eine Definition sperren. Aber sie lässt sich entdecken, spüren, leben – und manchmal sogar verstehen. Zumindest ein bisschen.

Beginnen wir in unserer eigenen Sprache, im Deutschen. Wenn wir „Liebe“ sagen, kann das sehr vieles bedeuten. Die Liebe zu einem Menschen, zu einem Kind, zu einem Freund. Aber auch die Liebe zur Musik, zur Natur – oder zu Gott. Und manchmal sagen wir das Wort ganz schnell, ohne es wirklich zu fühlen. Ein „Hab dich lieb“ per WhatsApp. Ein „Ich liebe dich“ im falschen Moment. Oder auch im genau richtigen.

Die Liebe zwischen Eltern und Kindern, DALL·E, prompted by ChatGPT 4o
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Die Bibel selbst nutzt das Wort „Liebe“ sehr häufig – aber was sie damit meint, ist oft viel tiefer als das, was wir im Alltag damit verbinden. Eines der bekanntesten Kapitel über die Liebe steht im ersten Korintherbrief. Dort heißt es:

„Die Liebe ist langmütig und freundlich, die Liebe eifert nicht, die Liebe treibt nicht Mutwillen, sie bläht sich nicht auf, sie verhält sich nicht ungehörig, sie sucht nicht das Ihre, sie lässt sich nicht erbittern, sie rechnet das Böse nicht zu.“
1. Korinther 13,4

Was für ein Ideal. Eine Liebe, die nicht auf sich selbst schaut, sondern auf den anderen. Eine Liebe, die nicht verletzend ist, sondern heilend. Und damit sind wir schon mittendrin – in einer Liebe, die mehr ist als Romantik. Mehr als Schmetterlinge. Mehr als Worte.

Im Altgriechischen, der Sprache des Neuen Testaments, wird Liebe feiner unterschieden. Dort gibt es nicht nur ein Wort, sondern mindestens vier:

Agape (ἀγάπη) – das ist die bedingungslose, selbstlose Liebe. Die Liebe Gottes zu uns Menschen. Die Liebe, die nichts zurückverlangt. Jesus spricht oft von dieser Art Liebe, etwa wenn er sagt:

„Dies ist mein Gebot, dass ihr einander liebt, wie ich euch liebe.“
Johannes 15,12

Die Liebe zwischen Mann und Frau, DALL·E, prompted by ChatGPT 4o
Die Liebe zwischen Mann und Frau, DALL·E, prompted by ChatGPT 4o

Eros (ἔρως) – die leidenschaftliche, körperliche Liebe. Auch sie hat ihren Platz. Auch sie ist von Gott geschaffen. In der Bibel wird sie nicht ausgeklammert, sondern gefeiert – zum Beispiel im Hohelied Salomos:

„Zieh mich dir nach, so laufen wir! Der König führt mich in seine Gemächer. Wir wollen fröhlich sein und uns deiner freuen, deine Liebe preisen mehr als Wein.“
Hohelied 1,4

Philia (φιλία) – die freundschaftliche Liebe. Die Brüderlichkeit. Die Verbindung zwischen Menschen, die sich schätzen und vertrauen. Jesus selbst nennt seine Jünger Freunde. Nicht Diener. Freunde.

Die freundschaftliche Liebe, DALL·E, prompted by ChatGPT 4o
Die freundschaftliche Liebe, DALL·E, prompted by ChatGPT 4o

Storge (στοργή) – die natürliche Zuneigung, etwa zwischen Eltern und Kindern. Diese Art Liebe ist leise, aber tief. Sie trägt uns durchs Leben, oft ohne große Worte.

In der lateinischen Sprache, die die Theologie des Mittelalters stark prägte, finden wir zwei Hauptbegriffe:

Amor – die romantische Liebe, oft mit Leidenschaft verbunden.

Caritas – die selbstlose Liebe, die tätige Nächstenliebe. Das, was wir tun, wenn wir aus Liebe handeln, ohne etwas zu erwarten. In 1. Johannes steht:

„Wir lieben, weil er uns zuerst geliebt hat.“
1. Johannes 4,19

Caritas – das ist nicht nur ein wohltätiger Verein. Es ist ein Lebensstil. Eine Haltung. Ein Herz, das sich hingibt.

Auch im Hebräischen gibt es verschiedene Begriffe für Liebe. Besonders wichtig ist Ahava (אַהֲבָה). Diese Liebe ist leidenschaftlich, aber auch tief verbunden. Sie ist aktiv. In 5. Mose lesen wir:

„Du sollst den HERRN, deinen Gott, lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele und mit all deiner Kraft.“
5. Mose 6,5

Eine andere wichtige Form ist Chesed (חֶסֶד) – eine treue, barmherzige Liebe. Diese kommt Gott oft zu. Es ist eine Liebe, die bleibt. Auch wenn wir versagen.

Im Arabischen ist der Begriff für Liebe Hubb (حب). Er beschreibt eine innige Zuneigung, die sowohl romantisch als auch göttlich sein kann. ‚Ishq (عشق) geht noch weiter – es ist die glühende, fast schon verzehrende Liebe. Und Mawadda (مودّة) bedeutet liebevolle Fürsorge – sehr nah an der Barmherzigkeit Gottes.

Und dann gibt es noch das Sanskrit – eine Sprache, die besonders in Indien für religiöse und philosophische Texte verwendet wird. Dort begegnen wir zum Beispiel:

Prema (प्रेम) – die reine, göttliche Liebe, die nicht an Bedingungen geknüpft ist.

Kama (काम) – die sinnliche, körperliche Liebe. Sie ist ebenfalls ein Teil des Lebens.

Bhakti (भक्ति) – die hingebungsvolle Liebe zu Gott. Diese Liebe trägt viele Menschen im Alltag.

All diese Worte, all diese Sprachen – sie zeigen, dass Liebe nicht nur ein Gefühl ist. Sie ist ein ganzes Universum. Manchmal zärtlich, manchmal wild. Manchmal still, manchmal laut. Und immer wieder neu.

Vielleicht fragst du dich: Welche Art von Liebe lebe ich gerade? Und welche fehlt mir? Oder: Welche habe ich vielleicht übersehen?

Die Liebe Gottes zu uns Menschen, DALL·E, prompted by ChatGPT 4o
Die Liebe Gottes zu uns Menschen, DALL·E, prompted by ChatGPT 4o

Die Bibel fordert uns nicht auf, uns in Gefühle zu stürzen. Sondern in Beziehungen zu investieren. In Vergebung. In Geduld. In Fürsorge. Und vor allem: In das Vertrauen, dass wir selbst geliebt sind – unendlich, ohne Bedingungen.

„Denn ich bin gewiss, dass weder Tod noch Leben, weder Engel noch Mächte, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges […] uns scheiden kann von der Liebe Gottes, die in Christus Jesus ist, unserm Herrn.“
Römer 8,38-39

Wenn du heute das Wort „Liebe“ hörst, denke an dieses riesige Netz aus Bedeutungen, Sprachen, Herzen. Und dann frage dich: Wo darf ich heute lieben? Wo darf ich mich lieben lassen?

Und vielleicht – ganz vielleicht – beginnst du neu zu glauben: dass du geliebt bist. So wie du bist. Mit allem.

Gott, du bist die Quelle aller Liebe. Du kennst unser Herz, unsere Sehnsucht, unsere Verletzungen. Schenke uns Augen für die Liebe in unserem Alltag, Mut zur Hingabe, Weisheit in der Wahl, Wärme im Umgang mit anderen – und Vertrauen in deine Liebe zu uns. Lass uns lieben, wie du liebst.

Amen!

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