Liebe Leserinnen und Leser, liebe Zuhörende,
die Frage nach der Rechtmäßigkeit militärischer Verteidigung ist eine, die Christen seit Jahrhunderten bewegt. Dürfen wir als Nachfolger Jesu Waffen ergreifen, um unser Land zu schützen? Oder verlangt unser Glaube von uns, dass wir Gewalt konsequent ablehnen, selbst auf Kosten unserer Sicherheit?
Schauen wir in die Bibel, finden wir auf den ersten Blick widersprüchliche Aussagen. Da gibt es das Gebot „Du sollst nicht töten“ (2. Mose 20,13), das unmissverständlich scheint. Doch zugleich lesen wir im Alten Testament von Kriegen, die Israel führte – oft mit direkter Unterstützung Gottes. Und im Neuen Testament fordert Paulus die Gläubigen auf, die staatliche Ordnung zu respektieren:
„Denn sie ist Gottes Dienerin, dir zugut. Tust du aber Böses, so fürchte dich; denn sie trägt das Schwert nicht umsonst; sie ist Gottes Dienerin, eine Rächerin zum Zorngericht über den, der Böses tut.“
Römer 13,4
Hier wird das Schwert als legitimes Mittel der staatlichen Gewalt gesehen. Doch was bedeutet das für den Krieg? Darf ein Staat sich verteidigen? Darf ein Christ Soldat sein?
Schwerter zu Pflugscharen?
Die berühmte Vision des Propheten Jesaja klingt nach einer klaren Absage an Krieg:
„Er wird unter den Nationen richten und viele Völker zurechtweisen. Dann werden sie ihre Schwerter zu Pflugscharen schmieden und ihre Speere zu Winzermessern. Kein Volk wird gegen das andere das Schwert erheben, und sie werden den Krieg nicht mehr lernen.“
Jesaja 2,4
Das ist ein Bild der Hoffnung, das Christen über Jahrhunderte bewegt hat. Besonders die Friedensbewegung hat diesen Vers als Leitspruch genommen. Doch Jesaja spricht hier von einer Zukunftsvision – einer Zeit, in der Gott selbst für Frieden sorgt. Noch leben wir in einer Welt, die von Gewalt geprägt ist. Was tun wir also in der Zwischenzeit?
Die Realität der Gewalt
Wir können uns nicht der Tatsache verschließen, dass es in der Welt Böses gibt. Die Ukraine wird seit drei Jahren von Russland brutal angegriffen. Ist es in diesem Fall nicht gerechtfertigt, sich zu verteidigen? Selbst Jesus hat nicht immer völlige Wehrlosigkeit gefordert. Als er vor seiner Gefangennahme zu seinen Jüngern sprach, sagte er:
„Wer keinen hat, verkaufe seinen Mantel und kaufe ein Schwert.“
Lukas 22,36
Doch als Petrus dieses Schwert im Garten Gethsemane einsetzte, um Jesus zu verteidigen, wies ihn der Herr zurecht:
„Stecke dein Schwert an seinen Ort! Denn alle, die das Schwert nehmen, werden durch das Schwert umkommen.“
Matthäus 26,52
Hier sehen wir eine klare Absage an Gewalt als Lösung persönlicher Konflikte. Aber sagt Jesus damit auch, dass sich ein Land nicht verteidigen darf?
Christlicher Pazifismus vs. Gerechter Krieg
Die christliche Tradition kennt zwei Strömungen: den völligen Pazifismus und die Lehre vom „gerechten Krieg“. Letztere geht auf Augustinus und Thomas von Aquin zurück. Ein Krieg kann demnach nur gerecht sein, wenn er zur Verteidigung dient, wenn alle friedlichen Mittel erschöpft sind und wenn das Ziel ein dauerhafter Friede ist.
Die Ukraine verteidigt ihr Land gegen einen Aggressor. Nach diesen Kriterien wäre ihre Verteidigung gerechtfertigt. Doch bedeutet das, dass jeder Christ automatisch für militärische Verteidigung sein sollte?
Was können wir tun?
Ob ein Christ Soldat sein kann, ist eine Gewissensfrage. Doch egal, welche Haltung wir dazu haben: Unsere Aufgabe ist es, Frieden zu stiften. Jesus sagte:
„Selig sind die Friedfertigen, denn sie werden Gottes Kinder heißen.“
Matthäus 5,9
Wir sollten beten für Frieden, uns für Gerechtigkeit einsetzen und dort helfen, wo wir es können. Das bedeutet, Flüchtlinge aufzunehmen, Menschen in Kriegsgebieten zu unterstützen und Regierungen zu ermahnen, sich für eine gerechte Ordnung einzusetzen.

Gott fordert uns nicht auf, Gewalt zu lieben. Aber er fordert uns auch nicht auf, das Böse tatenlos geschehen zu lassen. Unser Auftrag ist es, Licht in diese dunkle Welt zu bringen – mit Worten, mit Taten und mit Gebet.
Herr, schenke den Verantwortlichen Weisheit und den Menschen in Not deinen Trost. Lehre uns, für den Frieden zu arbeiten und denen beizustehen, die unter Gewalt leiden.
Amen.