600 – Vom Warten, Hoffen und Ankommen – Eine Andacht über Geduld und Vertrauen

600 – Vom Warten, Hoffen und Ankommen – Eine Andacht über Geduld und Vertrauen

Liebe Leserinnen und Leser, liebe Hörerinnen und Hörer,

wer regelmäßig mit der Deutschen Bahn unterwegs ist, weiß, wie es sich anfühlt zu warten. Auf den Zug, auf die Durchsage, auf eine Entschuldigung. Und manchmal – auf das Ankommen. Es ist fast schon ein kleines Lehrstück über Geduld. Über Kontrolle, die wir nicht haben. Und über Vertrauen, das wir trotzdem aufbringen müssen.

Es ist interessant, wie sehr solche Alltagserfahrungen in unser Innerstes sprechen können. Denn so, wie wir auf dem Bahnsteig stehen, stehen wir oft auch im Leben: Wartend. Ungeduldig. Fragend. Und manchmal resignierend.

Doch dann lesen wir in der Bibel Worte, die uns etwas anderes lehren wollen:

„Seid geduldig, Brüder und Schwestern, bis zur Ankunft des Herrn. Siehe, der Bauer wartet auf die köstliche Frucht der Erde und ist dabei geduldig, bis sie den Frühregen und Spätregen empfange.“
Jakobus 5,7

Zugverspätung und Gelassenheit, Sora, prompted by Michael Voß
Zugverspätung und Gelassenheit, Sora, prompted by Michael Voß

Geduld ist nicht bloß das passive Aushalten. Es ist ein aktives Vertrauen. Der Bauer wartet nicht, weil er nichts Besseres zu tun hat, sondern weil er weiß: Die Frucht wächst. Unsichtbar. Unaufhaltsam. In ihrem Tempo.

Ich habe einmal eine Geschichte gelesen von einer Frau, die auf dem Weg zu einem Bewerbungsgespräch mit der Bahn unterwegs war. Der Zug hatte über eine Stunde Verspätung. Sie rief an, entschuldigte sich und dachte, sie hätte ihre Chance verspielt. Doch am Ende stellte sich heraus, dass ihr Gesprächspartner ebenfalls mit der Bahn unterwegs war – und ebenfalls zu spät kam. Sie bekamen beide den Eindruck, dass ihre Gelassenheit in dieser stressigen Situation viel mehr sagte als jeder Lebenslauf. Sie bekam den Job.

„Die auf den HERRN harren, kriegen neue Kraft, dass sie auffahren mit Flügeln wie Adler, dass sie laufen und nicht matt werden, dass sie wandeln und nicht müde werden.“
Jesaja 40,31

Geduld ist nicht naiv. Geduld ist Vertrauen auf einen guten Ausgang, auch wenn wir ihn noch nicht sehen. Auch wenn wir nur Bahnhof verstehen. Wortwörtlich. In einer Welt, die auf Effizienz setzt, ist Geduld ein geistliches Statement.

Und, ja: Manchmal ist es richtig ärgerlich. Weil Termine platzen, weil Anschlusszüge nicht warten, weil Pläne sich auflösen. Aber auch das kann ein Raum sein, in dem etwas Neues entsteht. Nicht selten entstehen im Zug Verspätungsgespräche mit Fremden, die plötzlich mehr Tiefe haben als manches Meeting. Vielleicht sind solche Begegnungen Gottes kleine Überraschungen im Alltag.

Verspätungsgespräche unter Fremden, Sora, prompted by Michael Voß
Verspätungsgespräche unter Fremden, Sora, prompted by Michael Voß

„Ein jegliches hat seine Zeit, und alles Vorhaben unter dem Himmel hat seine Stunde.“
Prediger 3,1

Wir leben in einem getakteten System – beruflich wie privat. Doch das Leben ist nicht der Fahrplan. Es ist das, was dazwischen passiert. Die unerwarteten Begegnungen. Die Pausen, die wir nicht eingeplant haben. Die Umwege, die uns ans eigentliche Ziel bringen.

So könnte man vielleicht auch die nächste Bahnverspätung betrachten: Nicht als nervige Störung, sondern als Trainingsfeld für Vertrauen. Für Gelassenheit. Für das, was die Bibel „Langmut“ nennt – die ruhige Stärke, auch dann noch freundlich zu bleiben, wenn man am liebsten schimpfen würde.

Der Herausgeber dieser Seite beim Warten auf den Zug - so wie es die KI sieht, Sora, prompted by Michael Voß
Der Herausgeber dieser Seite beim Warten auf den Zug – so wie es die KI sieht, Sora, prompted by Michael Voß

Und wenn du heute auf etwas wartest – nicht nur auf einen Zug, sondern auf einen Neuanfang, auf einen Heilungsprozess, auf eine Antwort – dann sei dir gewiss: Gott sieht dich. Dein Warten ist nicht vergeblich. Manchmal bereitet sich im Hintergrund schon alles vor. Unsichtbar. Wie bei der Frucht, die reift.

Herr, gib uns Geduld, nicht nur auf dem Bahnsteig, sondern im Leben. Hilf uns zu vertrauen, dass dein Zeitplan gut ist – auch wenn wir ihn nicht verstehen. Und lass uns nicht müde werden, zu hoffen, zu glauben, zu lieben.

Amen!

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