Liebe Leserinnen und Leser, liebe Hörerinnen und Hörer,
was heißt es eigentlich, heute zu glauben? In einer Welt voller Informationen, Meinungen und Unsicherheiten wirkt Glaube manchmal wie ein Fremdkörper. Als etwas für besonders Überzeugte oder Naive. Und dann stolpern wir über diesen Satz: „Ich glaube; hilf meinem Unglauben.“ Plötzlich klingt Glaube nicht mehr perfekt, sondern menschlich. Nicht abgeklärt, sondern suchend. Und das macht ihn so glaubwürdig.
Der Satz stammt aus einer Szene im Markus-Evangelium. Ein Vater bringt seinen kranken Sohn zu Jesus. Die Jünger können nicht helfen. Verzweifelt wendet sich der Vater an Jesus – mit diesen Worten:
„Ich glaube; hilf meinem Unglauben!“
Markus 9,24
Was für ein mutiges Gebet. Hier steht kein theologischer Experte vor Jesus, sondern ein Mann mit brennender Hoffnung und großen Zweifeln. Der Satz ist keine theologische Formel, sondern ein ehrliches Ringen. Und genau da beginnt echter Glaube: Nicht in der Abwesenheit von Zweifel, sondern im mutigen Zugeben.
Und wie reagiert Jesus auf dieses Gebet? Er heilt den Jungen. Aber nicht einfach nur als Antwort auf ein starkes Glaubensbekenntnis – sondern als Antwort auf das ehrliche Eingeständnis von Zweifel. Er schaut den Vater nicht strafend an. Er sagt nicht: „Das ist aber zu wenig, was du da bringst.“ Stattdessen erkennt Jesus das Ringen, das Vertrauen im Zweifel, die Hoffnung mitten im Chaos. Und er handelt. Er streckt seine Hand aus, spricht ein Wort – und der Junge wird gesund.

Das ist so typisch Jesus. Er geht auf das zu, was echt ist. Auf das Herz. Nicht auf die Form. Nicht auf die Perfektion. Sondern auf das, was zwischen den Zeilen mitschwingt: „Ich will glauben. Ich schaffe es nicht allein. Bitte hilf.“ Und genau das tut er. Ohne zu diskutieren. Ohne Bedingungen. Die Heilung geschieht mitten im brüchigen Glauben. Genau da, wo es wackelt, entsteht Neues.
Jesus begegnet nicht dem perfekten Glauben – sondern dem mutigen Zweifel. Und macht daraus etwas Großes. Das ist keine Vertröstung, sondern eine echte Verheißung: Auch der kleinste Funke Glauben – sogar einer, der voller Fragen steckt – ist bei ihm nicht zu klein.
Vielleicht sind wir genau da gemeint. Mit unseren Fragen, mit unseren unsicheren Gebeten, mit dem Gefühl, dass der eigene Glaube nicht reicht. Dass er zu klein ist. Zu schwankend. Zu brüchig. Aber Gott begegnet uns nicht auf der Ebene unserer Stärke, sondern in unserer Schwäche. In unserer Bitte um Hilfe.
Die Bibel ist voll von solchen ehrlichen Momenten. Abraham lachte, als Gott ihm einen Sohn versprach. Mose wollte nicht reden. Hiob schrie seinen Schmerz in den Himmel. Und trotzdem – oder gerade deshalb – ist Gott ihnen begegnet.
Die berühmte Definition des Glaubens steht im Hebräerbrief:
„Es ist aber der Glaube eine feste Zuversicht dessen, was man hofft, und ein Nichtzweifeln an dem, was man nicht sieht.“
Hebräer 11,1
Das klingt stark. Und gleichzeitig schwer erreichbar. Eine „feste Zuversicht“ – wer hat die schon immer? Aber der Vater in Markus 9 zeigt uns: Du musst nicht immer fest glauben. Es reicht, wenn du Gott darum bittest, dir zu helfen. Dein Glaube darf unsicher sein, unvollständig, wackelig. Hauptsache: ehrlich.
Ich habe einmal eine wahre Geschichte gelesen, die mich sehr bewegt hat. Ein Mann in einem afrikanischen Dorf hatte eine schwere Krankheit. Die Medikamente waren teuer, seine Familie arm. Er ging jeden Tag in die kleine Kirche, setzte sich in die hinterste Bank und sagte nur einen Satz: „Herr, ich weiß nicht, was ich glauben soll. Aber bitte hilf mir.“ Mehr nicht. Keine langen Gebete. Kein theologischer Unterbau. Nur dieser eine Satz. Und er kam Tag für Tag. Wochenlang. Monate. Und eines Tages war er gesund. Die Leute fragten: „Was hast du getan?“ Und er antwortete: „Ich habe einfach nur gesagt, dass ich nicht weiß, wie man glaubt.“
Diese Geschichte erinnert mich an den Vater aus Markus 9. Und an mich selbst. Wie oft fühle ich mich überfordert mit dem Glauben. Wie oft wünschte ich, ich hätte mehr Vertrauen, mehr Hoffnung, mehr Klarheit. Aber vielleicht reicht es, einfach zu sagen: „Ich glaube; hilf meinem Unglauben.“ Vielleicht ist das die ehrlichste Form von Glauben, die es gibt.
Gott verlangt keinen perfekten Glauben. Keine makellose Theologie. Kein Durchblick in allem. Sondern Ehrlichkeit. Und ein Herz, das sich nach Hilfe sehnt.

Und vielleicht ist genau das die große Einladung: Glaube ist kein starres System, sondern ein lebendiger Weg. Mit Höhen und Tiefen. Mit Fragen und Lichtblicken. Mit Vertrauen, das manchmal nur ein Flüstern ist. Aber auch das hört Gott.
Lasst uns also aufbrechen. Mit allem, was wir sind. Mit dem, was wir glauben. Und dem, was wir (noch) nicht glauben können. Und beten wir dieses Gebet – wie ein tägliches Mantra:
Herr, ich glaube. Hilf meinem Unglauben.
Hilf mir zu vertrauen, wenn ich zweifle.
Hilf mir zu hoffen, wenn ich nichts spüre.
Hilf mir zu glauben – auch wenn ich es gerade nicht kann.
Danke, dass du mich trotzdem annimmst.
Amen!